Ein Statement in China zu einer Landtagswahl in Deutschland. Das hat es so noch nie gegeben. Dass die Union bei der Gelegenheit rechts überholt wird, ist ebenfalls ein Novum. Kommentatoren sprechen von einem Debakel für die CDU. Merkel reagiert Merkel-typisch in dem ihr eigenen Merkel-Sprech. "Sehr unzufrieden." Darauf muss man kommen. So wird auch die größte Pleite noch verniedlicht. Grund für einen generellen Kurswechsel sieht die Bundeskanzlerin nicht.
"Die schönste und großartigste Stadt der Welt"
Es ist nicht anzunehmen, dass die elf Stunden Flug zwischen Hangzhou und Tegel daran etwas geändert haben. Aus Regierungskreisen ist zu hören: Merkel sei weiterhin "zutiefst überzeugt" von ihrer Politik. Also steuert sie zielsicher in die größte Krise ihrer Amtszeit. Man habe kurze Nächte in China gehabt, heißt es. Und man gehe davon aus, dass sich daran auch in Berlin nichts ändern werde.
Dabei hätte alles so schön werden können. Hangzhou, laut Marco Polo "die schönste und großartigste Stadt der Welt", bietet für die Bundeskanzlerin im Prinzip die perfekte Bühne. Es ist der insgesamt elfte G20-Gipfel auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Angela Merkel war als einzige immer dabei. Da Deutschland vom 1. Dezember an die G20-Präsidentschaft übernimmt und 2017 den Gipfel in Hamburg austrägt, rangiert Merkel auch protokollarisch in der ersten Reihe. Immer neben Xi. Oder neben Obama. Mindestens jedoch ein Stück weit besser platziert als Putin oder Erdogan. Das ist in diesen Tagen schon Anlass zur Genugtuung.
Auch als Gesprächspartnerin ist Merkel gefragt. Treffen unter anderem mit Xi, Obama, Putin, Hollande, Renzi und Erdogan. Entweder zu zweit. Oder auch in Dreier- und Viererkombinationen. Immer geht es um die Hotspots dieser Welt. Um Syrien, um die Ukraine, um den globalen Terrorismus. Die Ergebnisse sind eher dürftig. Man kann auch sagen: Viel Palaver, null Fortschritte. Aber in offiziellen Statements klingt das natürlich anders. Das Gespräch an sich gilt als Erfolg. Mit Putin geht es um Details, um einzelne Stellungen zwischen der Ukraine und den Separatisten. Obama und Putin verhandeln direkt und indirekt über mögliche Waffenstillstandslinien in Syrien. Putin möchte gerne wissen: Wo sind denn die "guten" Rebellen, wo die "bösen" Terroristen? Wer soll das mit Sicherheit sagen? Unterdessen wird weiter bombardiert.
Europa kämpft mit seiner Relevanz
Die deutsche Bundesregierung wertet es als diplomatischen Erfolg, dass die ihr wichtigen Punkte Eingang finden in die G20-Abschlusserklärung. Etwa das Versprechen, gemeinsame Strategien gegen Antibiotika-Resistenzen zu entwerfen. Oder die Feststellung, dass Migration und Flüchtlingsbewegungen ein weltweites Problem darstellten. Selbst der Klimaschutz ist prominent vertreten. Früher war das Thema für die meisten schlicht nicht existent. Nun haben China und die USA mit der Ratifizierung des Pariser Klimaschutzabkommens kurz vor dem Gipfel die Europäische Union umwelttechnisch überholt. Überhaupt Europa: Der Kontinent unternimmt selbst jeden Versuch, sich als global irrelevant erscheinen zu lassen. Wie geht es nach dem Brexit weiter? Ist TTIP noch zu retten? Mit den Europäern, so hört man aus internationalen Delegationskreisen, ist kein Staat zu machen.
Merkel gilt noch als einzige Konstante. Sie ist als Krisenmanagerin in diesem gipfeltypischen Themenmix aus Katastrophen in ihrem Element. Doch all das geht in der Berichterstattung weitgehend unter. Wen interessiert der Minsker Friedensprozess, wenn im Mecklenburgischen die AfD aus dem Stand die CDU überflügelt? Die Krise an der Ostsee toppt die Krisen dieser Welt.
Statt grandioser Bilder aus der angeblich schönsten Stadt der Welt bleibt von dem G20-Gipfel aus deutscher Sicht vor allem die graue Hotelwand als passender Hintergrund für das trübe Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern in Erinnerung. Mit einer Parteivorsitzenden, die fast schon trotzig ihren Kurs fortzusetzen gedenkt und Durchhalteparolen ausgibt.
Ob sie wieder als Kanzlerkandidatin antreten wird, ist auch in Hangzhou nicht zu klären. Vielen erscheint das in Deutschland schon längst nicht mehr als besonders erstrebenswert. Es soll sogar Parteimitglieder geben, die wünschten, Merkel wäre in China geblieben.
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