Die Maschine mit der Registrierung S5-MHY4 macht ein wenig den Eindruck, als hätte sich ein Riese beim Modellflugzeugbasteln vertan: Der weiße Flieger hat zwei Rümpfe, jeder davon vorn mit einer verglasten Kabine versehen, verbunden sind sie mit einem gut 20 Meter langen Flügel. Der - verblüffend leise - Propeller sitzt in der Mitte.
"HY4" heißt die gut sieben Meter lange Maschine, zu deren offiziellem Erstflug das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an diesem Donnerstag geladen hat. Der kryptische Name spricht sich so wie das Abklatschen mit der flachen Hand, high five, nur eben in diesem Fall: high four. Die Vier zeigt dabei an, wie viele Passagiere gleichzeitig befördert werden können. Das "HY" wiederum steht für die lateinische Bezeichnung des Treibstoffs im Tank: Wasserstoff.
Und das ist das Spannende daran: Wenn dieser Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, macht "HY4" das komplett emissionsfreie Fliegen möglich. Der Wasserstoff wird, zusammen mit Luftsauerstoff, in einer Brennstoffzelle für die Herstellung von elektrischem Strom genutzt.
Und der wiederum treibt den 80-Kilowatt-Elektromotor zwischen den beiden Passagierkabinen an. In der rechten der beiden sitzen beim offiziellen Erstflug die beiden Piloten, die andere ist mit Ballast gefüllt. Damit der Vorzeigeflieger nicht in Schieflage kommt.
"Mit der HY4 wollen wir Elektromobilität in die Luft bringen, die Machbarkeit dieser Technologie demonstrieren und konkrete Anwendungsfelder im Passagiertransport aufzeigen", sagt der zuständige Projektleiter Josef Kallo vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik. Sein Institutschef André Thess träumt gar vom "Fliegen ohne Reue".
Bis zu 1500 Kilomter
Wenn "HY4" in bis zu 5000 Metern Höhe mit - eher gemütlichen - 145 Kilometern in der Stunde im Reiseflug unterwegs ist, reicht die Brennstoffzelle an Bord zur Energieversorgung aus. Beim Start und bei Steigflügen liefert eine Lithium-Hochleistungsbatterie zusätzlichen Strom zu.
In Stuttgart dreht der Brennstoffzellenflieger nur ein paar Runden um den Flugplatz. Doch er soll auch für längere Reisen taugen. Die Reichweite geben die Entwickler - neben DLR sind das unter anderem der kanadisch-belgisch-deutsche Brennstoffzellenhersteller Hydrogenics, der slowenische Flugzeugbauer Pipistrel und die Uni Ulm - mit 750 bis 1500 Kilometern an.
Abhängig ist die Maximalstrecke von Geschwindigkeit, Flughöhe und Zuladung - und dem verwendeten Wasserstofftank. Im Moment wird der Treibstoff mit einem Druck von 350 bar zusammengepresst, also dem 350-Fachen der Erdatmosphäre am Boden. Schon bald sollen es 700 bar sein.
Problem CO2
Die Neuentwicklung soll dabei helfen, die Luftfahrt sauberer zu machen. Denn die Branche hat ein ernsthaftes Problem: ihren Erfolg. Der weltweite Flugverkehr wird auf lange Sicht boomen. Vorausgesagt wird ein jährliches Plus von fünf Prozent - bis mindestens zum Jahr 2034. Gleichzeitig will der Luftfahrtsektor schon ab dem Jahr 2020 nur noch ohne zusätzliche CO2-Emissionen wachsen.
Im aktuellen Weltklimavertrag ist die Luftfahrt genauso wenig berücksichtig wie der Schiffsverkehr. Gerade laufen bei der Uno-Luftfahrtorganisation Icao in Montréal Verhandlungen darüber, welche Regeln die Branche stattdessen bekommen soll.
Quelle : spiegel.de
Tags: