Abgeordnete reisen erstmals wieder zu deutschen Soldaten in die Türkei

  04 Oktober 2016    Gelesen: 770
Abgeordnete reisen erstmals wieder zu deutschen Soldaten in die Türkei
Wochenlang hatte es Streit gegeben - jetzt besuchen Bundestagsabgeordnete deutsche Soldaten auf der Luftwaffenbasis Incirlik. Sie äußern Hoffnung auf eine Entspannung im Verhältnis zum "schwierigen Partner" Türkei.
Sieben Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen brechen am Dienstag zu einer dreitägigen Reise in die Türkei auf, bei der sie die rund 250 deutschen Soldaten auf der Luftwaffenbasis Incirlik besuchen werden.

In Incirlik wollen sich die Verteidigungspolitiker von Union, SPD, Grünen und Linken über die Einsatzbedingungen der deutschen Soldaten im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak informieren. Die deutschen Soldaten unterstützen mit "Tornado"-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug die Bombardements von IS-Stellungen.

Um den Besuch hatte es wochenlang Streit zwischen Berlin und Ankara gegeben. Die Türkei hatte den Abgeordneten in den vergangenen Monaten nicht erlaubt, die Bundeswehrsoldaten zu besuchen. Hintergrund des Konflikts war die Anfang Juni verabschiedete Armenier-Resolution des Bundestags. Darin stufte der Bundestag die ab 1915 im damaligen Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Massaker als Völkermord ein. Die Türkei wehrt sich seit Jahren gegen die von vielen Staaten und Historikern für richtig erachtete Verwendung des Begriffes Völkermord.

Entspannung in dem Konflikt brachte erst ein viel diskutiertes Statement von Regierungssprecher Steffen Seibert. Der SPIEGEL hatte vor vier Wochen berichtet, dass sich die Bundesregierung von der Resolution distanzieren werde, um den Streit zu schlichten. Seibert hatte daraufhin erklärt, von einer Distanzierung könne keine Rede sein - um gleich im Anschluss zu versichern, dass die Erklärung des Parlaments keine rechtlich bindende Wirkung habe. Das sei schon immer die Auffassung der Regierung gewesen. Offensichtlich ging es damals darum, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, man sei der türkischen Regierung entgegen gekommen. (Lesen Sie hier die Analyse zur Seibert-Äußerung).

SPD-Politiker Arnold: "Schwierigen Partner Türkei weiter einbinden"

Der CDU-Politiker Karl Lamers, Leiter der siebenköpfigen Türkei-Delegation, verteidigte die Armenien-Resolution vor dem Besuch in Incirlik. Der Bundestag habe natürlich "das Recht, sich zu allen wichtigen Fragen zu äußern. Das haben wir getan, und dazu stehen wir auch", sagte Lamers. Er äußerte zugleich die Hoffnung auf eine Entspannung im deutsch-türkischen Verhältnis. "Diesem Besuch kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, als damit wieder ein Stück weit Normalität eintritt", sagte Lamers.

Der SPD-Politiker Rainer Arnold warb vor der Reise dafür, den "schwierigen Partner" Türkei weiter einzubinden. "Sowohl die Türkei als auch wir müssen ein Interesse daran haben, dass wir Partner bleiben. Das gilt sicherlich in beide Richtungen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion der Nachrichtenagentur AFP. "Und wir müssen eben mit schwierigen Partnern umgehen."

Einer Verlängerung des Mandats für den Bundeswehreinsatz in Incirlik, das Ende des Jahres ausläuft, steht laut Arnold dann nichts mehr im Weg, "wenn dieses Programm jetzt wie geplant läuft und Abgeordnete dort zukünftig wieder reisen können".

Arnold verteidigt geplante Investitionen

Der Besuch auf der Luftwaffenbasis sei nicht erkauft worden, sagte Arnold unter Verweis auf die einlenkende Äußerung der Bundesregierung im Armenien-Streit, dass eine Resolution des Bundestages juristisch nicht bindend sei. Arnold erklärte, dies sei keine Distanzierung gewesen: "Die Bundesregierung kann sich nicht inhaltlich vom Bundestag distanzieren, und das hat sie auch nicht gemacht." Vielmehr habe sie "erklärt, dass eine Resolution die Funktion einer Resolution hat und die Meinung des Parlaments wiedergibt".

Auch die geplanten deutschen Investitionen auf dem Stützpunkt in Höhe von 58 Millionen Euro seien nicht in diesem Licht zu sehen, sondern schon lange vorher verhandelt worden. "Das ist keine aktuelle Entwicklung", sagte Arnold. "Das resultiert einfach daraus, dass die Amerikaner uns im Augenblick Gastfreundschaft gewähren, dort alles beengt ist und auch die Unterkünfte der Soldaten nicht dem Standard entsprechen, den wir eigentlich für unsere Soldaten haben möchten."

Zudem benötigten die Flugzeuge Abstellflächen. "Ein Großteil des Geldes, etwa 30 Millionen, ist technische Ausstattung in Containern, die wird wieder mitgenommen, wenn die Bundeswehr geht. Nur der Beton wird dort bleiben."

Quelle : spiegel.de

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