Wie Steinmeier Bundespräsident werden könnte

  06 Oktober 2016    Gelesen: 760
Wie Steinmeier Bundespräsident werden könnte
Der passende Kandidat - wäre er nicht in der SPD: Das galt bisher für einen möglichen Bundespräsidenten Steinmeier. Doch es gibt Gründe, warum Kanzlerin Merkel am Ende auf ihn setzen könnte.
Er bringt wohl alles mit, was die aktuelle Stellenausschreibung für die Nachfolge von Joachim Gauck verlangt. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) drückte es im Interview mit SPIEGEL ONLINE kürzlich so aus: Es gehe um eine Persönlichkeit, die "leitend und wertbildend in die großen Debatten" eingreifen, die Gesellschaft zusammenführen könne, zugleich aber auch "mit dem harten politischen Geschäft umgehen kann". Kauder nannte keinen Namen - aber die Attribute passen genau zu Frank-Walter Steinmeier.

Dazu kommt: Der Bundesaußenminister hat hohe Popularitätswerte und ist in breiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert. Das spricht in Zeiten von Pegida, AfD & Co. erst recht für Steinmeier. Er wäre ein natürlicher Kandidat für Schloss Bellevue.

Es gibt nur ein klitzekleines Problem: sein Parteibuch.

Steinmeier ist nach insgesamt sieben Jahren als Außenminister nicht nur der beliebteste Politiker Deutschlands, er ist auch einer der führenden Sozialdemokraten des Landes. Und das macht ihn bisher in den Augen von CDU und CSU nicht als Bundespräsidenten wählbar. In den Unionsparteien sieht man verständlicherweise nicht ein, dass man einen Sozi ins höchste Staatsamt bugsieren soll, wo doch die Unionsparteien in der Bundesversammlung über die meisten Stimmen verfügen. Da hilft es auch wenig, dass prominente Sozialdemokraten zuletzt für Steinmeier warben. (Lesen Sie hier, wie eine Bundespräsidentenwahl abläuft).

Das ist das Problem des Kandidaten Steinmeier. Noch viel mehr ist es allerdings das Problem von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Denn Merkel ist vier Monate vor der Bundesversammlung am 12. Februar so weit wie Anfang Juni, als Joachim Gauck den Verzicht auf eine zweite Amtszeit verkündete: Sie hat noch immer keinen passenden Nachfolger parat, erst recht keine Nachfolgerin.

Die Kanzlerin steht vor dem Problem, dass die Union zwar die größte Fraktion in der Bundesversammlung stellen wird - aber nicht stark genug ist, um im ersten Wahlgang jemanden mit der erforderlichen absoluten Mehrheit durchsetzen zu können. Das wäre für CDU und CSU erst im dritten Durchgang mit der dann ausreichenden relativen Mehrheit möglich: Wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt.

Dann würde es aber eben auch für SPD, Linkspartei und Grüne reichen, falls sie sich auf eine Person einigen könnten. Mit anderen Worten: Verlassen könnte sich ein Unionskandidat auf einen dritten Wahlgang nicht - weshalb prominente mögliche CDU-Anwärter wie Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Bundestagspräsident Norbert Lammert nicht infrage kommen. Bliebe noch eine schon im ersten Wahlgang mögliche schwarz-grüne Mehrheit, doch die scheitert wiederum wohl an der Gespaltenheit der Grünen und dem Unwillen der CSU.

Noch spielt Merkel deshalb auf Zeit: Zuletzt verständigte sie sich mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel darauf, die Gauck-Nachfolge gemeinsam zu klären. Doch während Gabriel und Seehofer sich dabei relativ entspannt zurücklehnen können, wächst der Druck auf die Kanzlerin. Und dabei könnte sie dann doch auf Steinmeier zurückkommen, um die Gauck-Nachfolge endlich zu klären.

Merkel müsste dafür Nutzen und Kosten abwägen. Natürlich würde es nicht leicht, die eigenen Reihen von Steinmeier zu überzeugen, zumal ihre Position wegen der Flüchtlingskrise geschwächt ist. Aber sie hätte auch einige starke Argumente. Für Steinmeier - den die Kanzlerin zudem persönlich schätzt - würde aus Merkels Sicht folgendes sprechen:

Indem sie den SPD-Politiker vorschlägt, könnte die Kanzlerin einmal mehr beweisen, dass ihr das Wohl des Landes näher ist als der eigene politische Vorteil.
Würde Steinmeier im Frühjahr vom Auswärtigen Amt nach Schloss Bellevue umziehen, verlöre die SPD mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 ihren größten Sympathieträger. Darüber dürfte niemand in der Union traurig sein.
Zudem könnte man die Personalie Steinmeier als Beleg dafür nehmen, dass die Große Koalition längst kein Auslaufmodell ist. Auch das läge im strategischen Interesse von CDU und CSU.

Wenn die Koalitionsspitzen am Donnerstag zu ihrem nächsten Treffen zusammen kommen, soll die Gauck-Nachfolge offiziell kein Thema sein. Die Runde ist wohl auch zu groß, um eine so sensible Frage zu besprechen.

Steinmeier kann sich die Debatte ohnehin in Ruhe ansehen. Nichts zwingt ihn, für den Job im Bellevue anzutreten. Dass er dafür gehandelt wird, dürfte ihm allerdings schmeicheln. Steinmeier hat in über 20 Jahren politische Erfahrungen in diversen Funktionen gesammelt, er war Leiter der Staatskanzlei in Niedersachsen, Chef des Kanzleramts unter Gerhard Schröder, Außenminister der ersten und zweiten Großen Koalition unter Angela Merkel und SPD-Fraktionschef in der Oppositionszeit.

Sollte die SPD nach 2017 weiter regieren - in welcher Konstellation auch immer -, wäre er wohl als Außenminister gesetzt. Andernfalls würde sich für Steinmeier bestimmt eine andere attraktive Aufgabe auf internationalem Parkett finden.

Er kann also abwarten. Anders als Merkel.

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Quelle : spiegel.de

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