Polizei in Chemnitz gab Warnschuss ab

  09 Oktober 2016    Gelesen: 375
Polizei in Chemnitz gab Warnschuss ab
Die Polizei sucht nach einem 22-jährigen Syrer, der einen Terroranschlag geplant haben soll. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE entkam der Mann nur knapp dem Zugriff in Chemnitz. Auch ein Warnschuss konnte ihn nicht stoppen.
Hunderte Gramm "hochgefährlichen Sprengstoffs" fand die Polizei nach eigenen Angaben bei einem Großeinsatz in einer Wohnung in Chemnitz. Ein 22-jähriger Syrer, der unter Verdacht steht, mit diesem Material einen Terroranschlag geplant zu haben, ist noch immer auf der Flucht. Womöglich führte eine Polizeipanne dazu, dass Jaber Albakr entkommen konnte.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE war der mutmaßliche Terrorist den Einsatzkräften am Samstagmorgen nur ganz knapp entwischt. Demnach flüchtete der 22-Jährige um 7.04 Uhr aus dem noch nicht lange observierten Haus in der Straße Usti nad Labem 97 in Chemnitz. Die Beamten gaben einen Warnschuss ab, stoppten ihn jedoch nicht. So steht es in einem vertraulichen Lagebericht des sächsischen Landeskriminalamts (LKA).

Ein Sprecher des LKA bestätigte das Geschehen auf Anfrage: "Wir waren dabei, den Zugriff vorzubereiten, als der Verdächtige das Haus verließ." Ob Albakr die Spezialkräfte der Polizei entdeckt hatte oder zufällig zu diesem Zeitpunkt aus dem Plattenbau ging, ist noch unklar. Gegen den Mieter der Wohnung, auch er stammt aus Syrien, wird inzwischen ebenfalls wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE lagen dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tags zuvor Hinweise vor, dass Albakr ein Sprengstoffattentat vorbereiten könnte. Er hatte sich im Internet über den Bau von Bomben informiert und auch entsprechende Materialien beschafft. Diese Vorbereitungen sollen erst am Donnerstag abgeschlossen worden sein. Am Freitag übermittelte das BfV seine Informationen der Polizei.

Das Bundeskriminalamt wiederum stufte die Hinweise der Nachrichtendienste noch am Freitag mit einer "zwei" auf einer Skala von eins bis acht ein, wobei eins die größte Glaubwürdigkeit bedeutet, acht die geringste. "Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse ist mit einem schädigenden Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen", heißt es in einem Dokument.

Und tatsächlich entdeckten Kriminaltechniker in der Wohnung Sprengstoff, der dem LKA zufolge gefährlicher sein soll als TNT. Das Material wurde in mehreren Erdlöchern kontrolliert gesprengt. Ein Terror-Experte des ZDF vermutete, dass es sich dabei um TATP gehandelt haben könnte. Das LKA wollte das derzeit nicht bestätigen, die kriminaltechnischen Untersuchungen dauerten an, hieß es.

Albakr war nach Informationen von SPIEGEL ONLINE am 18. Februar 2015 illegal nach Deutschland eingereist. Beamte der Bundespolizeiinspektion Rosenheim griffen ihn damals auf und registrierten ihn. Knapp zwei Wochen später stellte Albakr beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag. Mitte Juni wurde er als Flüchtling anerkannt. Polizeiliche Erkenntnisse zu ihm lagen offenbar bislang nicht vor. Sein syrischer Pass mit der Nummer N009801845 zeigt einen ernst schauenden jungen Mann mit breiter Nase, Dreitagebart und buschigen Augenbrauen. Demnach wurde er am 10. Januar 1994 in einem Vorort von Damaskus geboren.

Während die Suche nach ihm auf Hochtouren läuft, ist einer von drei am Samstag festgenommenen Männern freigelassen worden. "Er war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort", sagte eine Polizeisprecherin. Gegen einen der am Hauptbahnhof Chemnitz Festgenommenen - den Mieter der Wohnung - hingegen wurde Haftbefehl erlassen. Der dritte Verdächtige ist inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Bis zum Morgen sollen mehr als 80 "ernst zu nehmende Hinweise" bei der Polizei eingegangen sein. Diese werden nun im Großraum Chemnitz, aber auch bundesweit überprüft. Auch die GSG 9 ist im Einsatz.

Es besteht die Möglichkeit, dass der flüchtige Albakr Waffen oder explosives Material bei sich trägt. Das LKA warnte deshalb explizit vor dem Tatverdächtigen. Auf Twitter hieß es: "Derzeit wissen wir aber nicht, wo er sich befindet und was er bei sich trägt. Seid vorsichtig." In Chemnitz ist die Polizei nach eigenen Angaben am Sonntag weiterhin "stark präsent". In der Plattenbausiedlung Fritz Heckert, wo der Sprengstoff gefunden wurde, werden Experten bis zum Abend damit beschäftigt sein, Spuren zu sichern.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) dankte am Sonntagmorgen den Einsatzkräften für deren "schnelles und besonnenes Handeln in dieser brisanten Situation". "Die Gefahr für die Bevölkerung vor Ort konnte damit gebannt werden. Zusammen mit anderen Sicherheitsbehörden fahnden wir nun unter Hochdruck nach dem flüchtigen Terrorverdächtigen."


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