Nun fordern Transparente die Wiederbelebung der Gernreich-Idee, gleichsam von unten her. "Ban the Bra", so lautete die Parole des 1. August in San Francisco, und nicht minder militant prangte auf den Münchner Spruchbändern die Forderung "Runter mit dem Büstenhalter".
Wortführer der neuerlichen Freilegungsbewegung sind diesmal nicht die Couturiers. In Kalifornien streitet Dave Rosenberg, PR-Manager des Nachtklubs "Condor" (wo die amerikanische Busen-Größe Carol Doda als Topless-Tänzerin auftritt), für den freien Fall der Brüste. In der Bayern-Metropole ist es der Graphiker Maximilian Condula, 32, Werbechef für die mannigfachen Gogo- und Belustigungs-Betriebe der kaukasischen Gebrüder Samy ("Blow up", "Citta 2000").
Flammender Protest gegen Ein- und Hochschnüren der Oberweiten war freilich schon früher aufgeflackert: In Atlantic City (US-Staat New Jersey) veranstaltete letzten Herbst eine Damengruppe, die sich "Frauenbefreiungs-Bewegung" nennt, eine BH-Massenverbrennung, um damit gegen die nach ihrer Ansicht "lachhaften Schönheitsbegriffe" bei der Miß-Amerika-Wahl zu demonstrieren.
Rosenbergs Protestveranstaltung im Geschäftsviertel von San Francisco hatte einen nicht weniger spektakulären Höhepunkt: Von Tausenden beobachtet, opferte dort bei hellichtem Tage die Topless-Tänzerin Julie Green (Oberweite: 124 Zentimeter, 26 Zentimeter mehr als Sophia Loren) ihre Busenstütze für die neue Richtung. Rosenbergs anschaulicher Bericht: "A big girl."
Schmaler war die Unbekannte, die im Münchner Beatschuppen "Blow up" als einzige dem Appell des Disc-Jockeys Mike nachkam, die beengende Miederfessel öffentlich auf dem Gogo-Podest abzustreifen. "Für München kommt das alles etwas früh", erklärte Anti-BH-Agitator Condula das dünne Echo, "aber wir lassen nicht locker, der Trend wird weltweit." Demnächst sollen in einer Regentonne BHs aller Größen verbrannt werden -- feuerpolizeiliche Auflagen hatten derartiges in der vorletzten Woche noch verhindert.
Die unterschwellige Freiheitsbewegung wurde bereits von der Miederwarenindustrie registriert: Das Figur-Krönungs-Werk Triumph entsandte Beobachter zur Münchner Protest-Schau und frohlockte hernach über die "völlige Interesselosigkeit Im Volk". Dennoch will Triumph die weiche Welle -- wenn auch mit Illusionen -- stützen. Die jüngste Miederkollektion heißt "happy body" und läßt, laut Werbetext, den "Körper so, wie er ist. Möglichst nackt".
Einen zweiprozentigen Umsatzschwund (statt des, bisher üblichen Zuwachses von jährlich fünf Prozent) an Büstenhaltern bei der Gruppe der 18bis 24jährigen Kundinnen beklagt schon das US-Miederwerk Maidenform. Und die Firma Warner, Erfinder des inzwischen vielkopierten fleischfarbenen Körperstrumpfs, erfuhr von Marktforschern" daß bereits 32 Prozent der College-Girls an der amerikanischen Ostküste auf Stützwerk verzichten. Warner-Präsident John F. Moriarity: "Die Kunde von der neuen halterlosen Gesellschaft hören wir wohl."
Ein Opfer hat der augenfällige Freiheitsdrang bereits gefordert: Letzte Woche wurde bekannt, daß die amerikanische Ingenieurin Jane Andre (Jahresgehalt: 72 000 Mark, Oberweite: 91 cm) von der Direktion der am Mondlandeprojekt beteiligten Luft- und Raumfahrtfirma "General Dynamics" in Pomona (Kalifornien) fristlos entlassen worden sei. Frau Andre hatte für sich und Ihre 2200 Kolleginnen den "büstenhalterlosen Freitag" proklamiert.
"Ste wurde von uns zum Arbeiten eingestellt", kommentierte das Werk die Kündigung, "und nicht, um hier anderen Frauen solche Dinge beizubringen."
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