Seehofers Spiel mit Europas Störenfried

  17 Oktober 2016    Gelesen: 742
Seehofers Spiel mit Europas Störenfried
Horst Seehofer und Viktor Orbán verstehen sich, nicht nur wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingspolitik. An diesem Freitag besucht Orbán den bayerischen Landtag – die lautstarke Kritik der Opposition kommt beiden zugute.
Die CSU ist nicht nachtragend, jedenfalls nicht gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Die bayerischen Steuerzahler haben zwar bei einem Ausflug ihrer Landesbank nach Ungarn gut zwei Milliarden Euro eingebüßt, nicht zuletzt durch allerlei unfreundliche Maßnahmen nach Orbáns Regierungsübernahme. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach danach schmallippig von „zufriedenstellenden Ergebnissen“, die bei der Trennung der bayerischen Landesbank von ihrer ungarischen Tochterbank MKB erzielt worden seien – deutlicher konnte kaum gesagt werden, wie sehr man sich in München von Budapest über den Tisch gezogen fühlte.

Danach wurde Orbán aber, wenn er nach Bayern reiste, nicht auf ein protokollarisches Minimum gesetzt. Im Gegenteil: In München wurde er 2014 von Seehofer im Prinz-Carl-Palais empfangen; der schnöde Zweckbau der Staatskanzlei wurde ihm nicht zugemutet. Orbán lag gerade im Streit mit der EU über die damals geplante Gasleitung South Stream – und Seehofer verbarg nicht sein Wohlgefallen an dem Löcken des ungarischen Ministerpräsidenten wider den Brüsseler Stachel, sondern warb für eine verstärkte Zusammenarbeit Bayerns und Ungarns „auf europäischer Ebene“. Mehrfach hob Seehofer hervor, dass die CSU und Orbáns Partei der „gleichen Parteifamilie“ angehörten.

Ein Jahr später, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, folgte ein großer Auftritt Orbáns auf einer Klausurtagung der CSU in Kloster Banz. Der ungarische Ministerpräsident durfte dort gegen die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wettern und vor einem „moralischen Imperialismus“ Berlins warnen. Seehofer widersprach Orbán nicht, im Gegenteil: Er missachtete die Gepflogenheit, in Anwesenheit ausländischer Gäste nicht die eigene Regierung zu attackieren – eine Regierung, an der die CSU selbst beteiligt ist. Europa sei durch eine deutsche Entscheidung in einen regellosen Zustand gestürzt worden – mit dieser Formulierung suchte Seehofer einen Schulterschluss mit Orbán, der ihm nicht verweigert wurde.

An diesem Montagabend ist es wieder soweit: Orbán wird im Bayerischen Landtag erwartet, zu einem Festakt, mit welchem dem ungarischen Aufstand 1956 gegen das kommunistische Regime und die sowjetische Besatzung gedacht wird. Dieses Mal muss sich Orbán allerdings mit einem protokollarischen Zwitterwesen begnügen. Veranstalter des Festakts ist nicht der Landtag und auch nicht die Bayerische Staatsregierung, sondern das ungarische Konsulat in München, das einen Saal im Maximilianeum, dem Sitz des Landtags, angemietet hat, gegen eine angemessenen Obolus, einen vierstelligen Eurobetrag. Als protokollarischen Ausgleich soll Seehofer aber eine Rede halten – ohne Vergütung selbstverständlich.

Seehofer kann der Opposition dankbar sein

Wer will, kann diese privat-öffentliche Melange als Glanzstück bayerischer Außenpolitik werten. SPD und Grüne wollen es nicht. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, hat die höchste Erregungsstufe gewählt und geißelt Orbán als „schlimmen Autokraten“ und nationalkonservativen „Europazerstörer“, der in Ungarn Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit systematisch abbaue. Ein solcher Politiker dürfe nicht „im Herzen der bayerischen Demokratie“, dem Landtag, hofiert werden, wettert Rinderspacher. Er sieht Seehofers Anwesenheit auf dem Festakt als einen abermaligen Angriff auf Merkel: „Sie wollen der Kanzlerin eins auswischen und gefallen sich als Daueropposition gegen die Bundesregierung, der sie selbst angehören.“

Es entbehrt nicht der Ironie, dass Rinderspacher in seinem Anti-Orbán-Furor Seehofer auf eine Stufe mit Willy Brandt stellt, allerdings im Negativen: Statt wie Brandt einst einen „Wandel durch Annäherung“ anzustreben, setze Seehofer auf „Kumpanei durch Anbiederung“. Und die SPD geht noch einen Schritt weiter: Es sei das Ziel Seehofers, Bayern nach Orbáns Vorbild zu einem „nationalistischen Anbiederungsstaat" zu machen.

Seehofer kann der Opposition wieder einmal dankbar sein: Ihre schrillen Töne werden es ihm erleichtern, sich am Abend staatsmännisch zu geben – und Orbán die gewohnte Zuwendung zuteil werden zu lassen.


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