Die größte russische Armada seit Ende des Kalten Krieges - acht Schiffe samt dem nukleargetriebenen Kreuzer Pjotr Weliki (Peter der Große), er ist das Flaggschiff der Nordflotte - hatte bereits am vorigen Wochenende im russischen Eismeerhafen Seweromorsk Fahrt aufgenommen. Sergej Schoigu, der russische Verteidigungsminister, hatte vor Wochen den Marschbefehl erteilt – offenkundig mit der dezidierten Strategie, die Entscheidung in der Schlacht um Aleppo herbeizuführen.
Dies hatten die Staats- und Regierungschefs gestern in Brüssel im Sinn, als sie über politische Konsequenzen in der Syrien-Frage debattierten, über eine neuerliche Verhängung von Sanktionen gegen Russland – zusätzlich zu den Strafmaßnahmen im Zuge der Ukraine-Krise. Angela Merkel und François Hollande pochten auf eine harsche Rhetorik gegenüber Moskau und auf Sanktionen als Ultima Ratio. Gemeinsam hatten die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident am späten Mittwochabend im Berliner Kanzleramt versucht, Wladimir Putin wegen seiner Syrien-Politik in die Mangel zu nehmen. Während sich der russische Präsident einerseits konziliant gab und eine Verlängerung der Feuerpause in Aleppo und die Öffnung von zwei Fluchtkorridoren in Aussicht stellte, zeigte sich indessen, dass er längst eine Doppelstrategie im Schilde führte: eine vorläufige Waffenruhe im belagerten Ostteil der syrischen Metropole bei einer gleichzeitigen Aufstockung des Truppenkontingents – die Ruhe vor dem Sturm.
Diplomaten, Militärexperten und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fürchten ein Crescendo, ein Bombenfeuerwerk auf den belagerten Ostteil Aleppos. In der Brookings Institution in Washington, der liberalen Denkfabrik, analysierte derweil Richard Shirreff, der ehemalige Vizeoberbefehlshaber der Nato, den russischen Aufmarsch zur See: „Es liegt nahe, dass für Putin der Nahe Osten derzeit die strategische Priorität ist. Wenn Assad verliert, verliert auch Putin. Russland hatte immer schon ein Interesse am Mittelmeer, es ist Teil des Weltmachtstrebens.“
„Keine Mittelmeer-Kreuzfahrt“
Für die Verstärkung der russischen Truppen hätte die Verlegung von Kampfflugzeugen auf den russisch-syrischen Stützpunkt in der Nähe von Latakia genügt. Vor der syrischen Küste liegen zudem zehn russische Kriegsschiffe. Doch Putin ging es darum, seine militärische Macht zu demonstrieren und den Westen einzuschüchtern. „Das ist keine Mittelmeer-Kreuzfahrt“, schrieb die „Komsomolskaja Prawda“. Die Mission werde den Luftangriffen durch ihren Schutzschirm zusätzlichen Flankenschutz bieten und überdies neue Luft-Boden-Feuerkraft zur Verfügung stellen, um die rund 8000 in Aleppo eingekesselten Rebellen in die Knie zu zwingen.
Für die Admiral Kusnezow, ein 55.000-Tonnen-Schlachtross mit 305 Metern Länge, ist es der erste Kriegseinsatz seit der Inbetriebnahme vor 25 Jahren. An Bord sollen sich je ein Dutzend Kampfjets vom Typ Mikojan-Gurewitsch MiG-29K sowie Katran-Kampfhubschrauber befinden. Ausgelegt ist der Flugzeugträger sogar für bis zu 50 Kampfflugzeuge, Pjotr Weliki ist unter anderem mit Raketen und Marschflugkörpern ausgerüstet. Sie werden die Feuerkraft der russischen Luftwaffe in Syrien verdoppeln. Während Wladimir Putin die militärische Drohkulisse aufbaut, sind die politischen Drohungen von Merkel, Hollande und Co. einstweilen verpufft.
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