Ziemlich beste Flüchtlingsfreunde
Es ist die verrückteste Szene in einer deutschen Komödie, die es einerseits darauf angelegt hat, möglichst durchgeknallte Pointen zu servieren und die anderererseits ganz ernsthaft von Flüchtlingen und Flüchtlingshassern und von der politischen Gegenwart erzählen will.
Der Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven unternimmt in "Willkommen bei den Hartmanns" etwas, was im deutschen Kino eher selten gelingt. Er behandelt mit den Mitteln wild aufgedrehter Unterhaltung einen politischen und sozialen Konflikt, der ganz aktuell das Land in zwei ziemlich unversöhnliche Lager zu spalten scheint: die Anhänger und die Feinde von Angela Merkels "Wir schaffen das"-Parole.
Refugee-Welcome-Villa wird zum Narrenhaus
Senta Berger, im wirklichen Leben die Mutter des Regisseurs Verhoeven, spielt in "Willkommen bei den Hartmanns" eine pensionierte Lehrerin namens Angelika. Sie beschließt, einen afrikanischen Flüchtling im schönen Haus ihrer Familie in der Münchner Vorstadt einzuquartieren. Schließlich steht ihr Arztgatte (Heiner Lauterbach) meistens im OP, und ihre Kinder, eine verstrahlte Studentin (Palina Rojinski) und ein als Bonzenanwalt arbeitender Karrierist (Florian David Fitz), sind längst ausgezogen.
Das ändert sich allerdings schnell, als der aus Nigeria stammende Asylbewerber Diallo (Eric Kabongo) nach einem Flüchtlings-Casting im Wohnzimmer der Hartmanns ein Zimmer im Keller der Villa bewohnen darf. Plötzlich zappelt die ganze Großfamilie samt Angelikas zwölfjährigen Enkelsohn (er ist der Sohn des Top-Anwalts aus einer kaputten Ehe) ständig aufgeregt um den Neuankömmling aus Afrika herum - und verwandelt die Refugee-Welcome-Villa im Reichenviertel in ein Narrenhaus.
Leicht dämliche Polizisten lassen eine Überwachungsdrohne über der Hartmann-Villa kreisen; eine hippieske Ex-Kollegin Angelikas stürmt mit einer Meute von Party- und Drogen-Irren zu einer Überraschungsparty zu Ehren des braven Diallo in Wohnzimmer und Garten; Angelika selbst träumt von einem durch IS-Soldaten besetzten München, in dem Frauen beim Bäcker vollverschleiert um Brot anstehen müssen.
Es gibt eine Menge grobschlächtige Scherze und einige bizarre Figuren in diesem Film mit Starbesetzung, in dem Elyas M`Barek einen Arztkollegen von Angelikas Mann spielt, der in seiner Freizeit als Sportlehrer mit jungen Flüchtlingen über die schönsten Isarbrücken joggt. Naturgemäß muss der Heldendarsteller M`Barek auch das Herz und die dicken Lippen von Palina Rojinski erobern.
Womöglich eines Tages ein historisches Dokument
"Willkommen bei den Hartmanns" ist ein holperiger Film. Das Drehbuch wirkt wie zusammengeschraubt aus bewährten Sketchen und politischen Kabarettnummern. Die stets durchsonnte Kuschelästhetik der Bilder erinnert an Til-Schweiger-Filme wie "Zweiohrküken" und zeigt ein deutsches Paradies wie aus der Fremdenverkehrswerbung: Seems it never rains in Southern Bavaria. Es passt ganz gut zur stets gut gemeinten Konfusion dieses Films, das auf den Plakaten, die ihn ankündigten, zunächst nur fünf der sechs im Bild gezeigten Hauptdarsteller mit Namen genannt wurden, weil man den von Eric Kabongo offenbar nicht prominent genug fand.
Zum Glück aber zeigt der Regisseur Verhoeven inmitten des erst allmählich auf Touren kommenden komödiantischen Irrsinns auch einen beachtlichen Willen zum Realismus. Vor Schulkindern in der Klasse von Angelikas Enkel schildert Diallo sehr eindringlich, wie seine Familie von Boko-Haram-Schlächtern ausgelöscht wurde. In der Asylbewerber-Unterkunft, aus der Diallo ins Haus der Hartmanns geholt wird, ist ein Container mit Hakenkreuzen beschmiert. Vor der Hartmannschen Villa postieren sich Pegida- und Nazi-Nachbarn. Im Lager agitiert einer der Flüchtlinge so lange als Ideologe des islamistischen Terrors, bis er verhaftet wird.
Im großen Durcheinander des Klamauks macht es die Stärke der Komödie "Willkommen bei den Hartmanns" aus, dass sie es mitunter tatsächlich schafft, sowas wie deutsche Zeitgeschichte abzubilden - und einem Massenpublikum den Spiegel vorzuhalten. Es ist nicht immer geschmackvoll, manchmal viel zu schön und manchmal unfassbar schrecklich, was das Publikum da zu sehen bekommt. Meistens aber ist es zum Lachen. Gut möglich, dass sich Schulkinder in einer weniger von Streit vergifteten Zukunft diesen Film mal als historisches Dokument im Geschichtsunterricht ansehen werden.