Süßer IS-Boy sucht Konvertitin zum Verlieben

  07 November 2016    Gelesen: 803
Süßer IS-Boy sucht Konvertitin zum Verlieben
Kiel ist eine Brutstätte des internationalen Terrorismus - jedenfalls im neuen "Tatort". Den freudlos ermittelnden Kommissaren Borowski und Brandt scheint das ziemlich egal zu sein, und auch als Zuschauer verliert man an diesem Gebührengrab schnell die Lust.
Das Szenario

Ein völlig aufgelöstes Mädchen ruft bei der Kieler Polizei an, um den Tod der besten Freundin zu melden. Während Kommissar Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Brandt (Sibel Kekili) die Befürchtungen der jungen Julia nicht ernstnehmen, ist das Mädchen felsenfest überzeugt, dass ausgerechnet ihr Bruder der Mörder ist. Einen Tag später zieht die Spurensicherung den übel zugerichteten Leichnam von Julias Freundin aus dem Wasser, leicht verspätet beginnen die Ermittlungen. Auf Julias Hilfe dürfen die Kommissare bei der Aufklärung allerdings nicht mehr zählen, die frühere Ablehnung durch die Polizei hat die ohnehin schon labile junge Frau endgültig dem radikalen Islam in die Arme getrieben.

Die eigentliche Botschaft

Drehbuchautorin Charlotte I. Pehlivani und Regisseur Raymond Ley wollen den Werdegang einer zukünftigen Islamistin nachzeichnen. Warum junge Menschen das mörderische IS-Kalifat dem heimischen Wohnzimmer vorziehen, weiß man nach 90 Minuten zwar immer noch nicht so genau, laut "Borowski und das verlorene Mädchen" spielen verschlagene Imame, geifernde Dschihad-Prediger im Pierre-Vogel-Look und islamistische Verführer im Dienste des Staatsschutzes eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung. Auch wichtig zu wissen: Wenn so ein süßer IS-Kämpfer per Skype durchruft, schmelzen verwirrte Teenieherzen wie Eis in der Sonne.

Darüber wird in der Mittagspause geredet

Nach knapp der Hälfte des Streifens beschließt Julia, ihren neuen Glauben auch äußerlich zur Schau zu stellen und läuft außerhalb der Wohnung fortan nur noch mit Kopftuch durch die Gegend. Ihr Weg durch die Kieler Fußgängerzone wird dadurch zum Spießrutenlauf: Hasserfüllte Blicke durchbohren das Mädchen, Passanten spucken vor Julia aus. Das gab es zwar so oder so ähnlich schon mal als Selbstexperiment im Fernsehen, aber erst mit der Reichweite eines "Tatorts" wird die beklemmende Szene zum Mittagspausengespräch.

Der Plausibilitätsfaktor

So lala. Klar, das Problem der Radikalisierung ist nicht zu vernachlässigen, mehr als 700 Konvertiten sind nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden bereits von Deutschland aus in den Dschihad gereist. "Borowski und das verlorene Mädchen" begnügt sich allerdings nicht damit, das Phänomen anhand einer Charakterstudie Julias zu erklären, sondern will auf Teufel komm raus ein moderner, energiegeladener Krimi sein. Und dazu gehören natürlich Kommissare, die in Sekundenschnelle Computer hacken, Mobiltelefone, die sich "in Reichweite der Moschee eingewählt" haben und ein Staatsschutz, der eher als Staatsfeind taugt.

Die Bewertung

3 von 10 Punkten. Der neueste Kieler Fall scheitert nicht nur an seiner Klischeehaftigkeit - ausgerechnet die Notwendigkeit, einen Mordfall aufklären zu müssen, bricht diesem "Tatort" das Genick.

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