Die Grünen beschworen auf ihrem Parteitag auch immer wieder die veränderte Welt, die durch den Wahlsieg Trumps in Amerika und durch die EU-Austrittsmehrheit in Großbritannien entstanden sei, doch nur wenige analysierten die daraus entstehenden Konsequenzen. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter rief reflexhaft, die Grünen sagten „weiter Nein“ zum europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP, ohne einen Moment lang zu reflektieren, dass dieses Vorhaben sich gerade durch die Wahl Trumps voraussichtlich ohnehin erledigt hat. Auch der Parteivorsitzende Cem Özdemir propagierte vor allem Selbstvergewisserung für seine von den Ereignissen verunsicherte Partei. Er sprach von einer „Krise der Überzeugungskraft liberalen Denkens“. Aber den Ursachen dieser Krise ging auf dem Parteitag der Grünen kaum jemand nach.
Einzig der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann mahnte seine Partei, sie müsse selbst „auch nachdenken über die Art und Weise, in der wir Politik gemacht haben“, und fügte hinzu: „Wir dürfen es mit der political correctness nicht übertreiben“. Die Grünen müssten mit ihren politischen Angeboten „Respekt und Klarheit“ vermitteln. Kretschmann sagte, die Grünen hätten bislang vor allem auf die soziale, horizontale Spaltung der Gesellschaft geblickt; der aufkommende rechte Populismus belege nun aber eine vertikale Spaltung.
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Er erneuerte seine Warnungen vor der Einführung einer Vermögensteuer; er warnte, sie werde gerade die mittelständischen Unternehmen schwächen, die doch „eine der stärksten Säulen gegen den Raubtierkapitalismus“ seien. Und er nahm für sich vorsorglich in Anspruch, auch nach einem Mehrheitsbeschluss für die Vermögenssteuer weiter gegen dieses Instrument argumentieren zu dürfen: „Wie ihr alle wisst“, sagte Kretschmann, lehne er die Steuer auf Vermögen ab, weil sie seiner Verantwortung für die baden-württembergischen Familienunternehmer entgegenstehe: „Deshalb kann das nicht der richtige Weg sein“. So kündigte er schon vor der Abstimmungsniederlage an, dass er sich an das Parteitagsvotum für die „Superreichen-Steuer“ auch künftig nicht gebunden fühlen könne.
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