Sie und ihr Begleiter gehören zu Robin Wood, einer Umweltschutzorganisation, die Atomtransporte über den Hamburger Hafen stoppen will – und sich dafür mit mächtigen Gegnern anlegt: mit Reedereien, mit großen Unternehmen und mit der Justiz, denn mit den Gesetzen nehmen die Aktivisten es im Notfall nicht immer genau. Aber die Stadt, finden sie, die Stadt tut ja nicht genug. Übt gerade mal schüchternen Druck auf die Unternehmen aus. Kein Wunder: Es geht um viel Geld.
Cecile Lecomte und andere Aktivisten observieren Schiffe, die Uranerz, Uranhexafluorid oder auch Brennstäbe nach Hamburg bringen. Normalerweise beobachten sie mit Feldstechern vom anderen Ufer aus, welche radioaktive Ladung umgeschlagen wird. An diesem Morgen im Juli wollen sie näher ran. Um vier Uhr morgens sind Lecomte und ihr Kapitän aufgestanden und sind mit dem Schlauchboot auf die Elbe getuckert. Sie suchen die Sheksna. Am Burchardkai werden sie fündig.
Die Sheksna, 82 Meter lang, zwölf Meter breit, bringt regelmäßig atomare Fracht von St. Petersburg nach Hamburg, meist Uranerz aus Kasachstan oder Usbekistan. Sie gehört der russischen Reederei Aspol und fährt unter der Flagge von Belize. Lecomte hat das Schiff schon Dutzende Male observiert. Die offiziellen Angaben reichen ihr nicht.
Denn die wichtigste Informationsquelle über Uranverladungen in Hamburg, das Gefahrgutinformationssystem Gegis, erfasst nur über See und per Hafenbahn transportierte Güter – und nicht, was auf Lastwagen durch die Stadt rollt. Und Gegis speichert die Daten nur drei Monate lang. Deswegen stellt die Linke regelmäßig Anfragen an den Senat und veröffentlicht dann Daten zu Atomtransporten, bevor sie aus dem System verschwinden. Anhand dieser Daten haben Aktivisten errechnet, dass durchschnittlich zwei Atomtransporte pro Woche über Hamburg laufen.
Im Schlauchboot hat Lecomte ihre Kamera gegen ein Fernglas getauscht. Sie beobachtet die Kaianlagen. Ein Streifenwagen fährt vor. "Dann haben die auch Gefahrgüter geladen", sagt Lecomte, "sonst wäre die Polizei nicht da." Kurz darauf öffnet sich eine Luke auf der Sheksna. Ein Kran hebt einen blauen Container aus dem Bauch des Schiffes. "Das sieht nach Uran-Pellets aus", sagt Lecomte. Auf der Transportkiste kleben Plaketten, die vor atomaren Stoffen und Giften warnen.
Nur noch ein zweiter Container folgt. Für so wenig hat die Sheksna Hamburg angesteuert. Das lohnt sich: "Es stehen starke wirtschaftliche Interessen hinter den Atomtransporten", sagt Lecomte.
Hamburg ist eine Drehscheibe der internationalen Nuklearindustrie
Bis Mai 2013 interessierte sich in der Stadt kaum jemand für radioaktive Fracht, die im Hafen umgeschlagen wird. Dann brannte es während des Kirchentags auf der Atlantic Cartier. Das Schiff hatte Autos geladen, aber auch Container mit Gefahrgut Klasse 7: strahlende Stoffe. Die Atlantic Cartier transportierte Reste von Uranhexafluorid – und vier Tonnen Munition. Eine brisante Kombination, auch politisch: Seitdem beschäftigt sich die Bürgerschaft mit Atomtransporten. Die Opposition verlangt Informationen.
Im laufenden Jahr wurden bis Ende Juni 363 Container mit radioaktiver Fracht im Gegis registriert. 2014 waren es rund doppelt so viele. Die Wasserschutzpolizei kontrollierte allein 635 Atomcontainer – rund 85 Prozent aller Nukleartransporte.
Viele Gefahrguttransporter bringen nicht nur strahlende Ladung nach Hamburg, sondern gleichzeitig Sprengstoff, Benzin und andere leicht entflammbare Stoffe. Material, das Terroristen zum Bau einer schmutzigen Bombe bräuchten. Eine Gefahr für alle Menschen in der Stadt, sagen Umweltschützer wie Cecile Lecomte. Nein, die Atomtransporte seien keine Bedrohung, solange alle Regeln eingehalten werden, erwidern Wasserschutzpolizei und Reedereien. Es gebe wesentlich gefährlichere Ladung, Chlorgas zum Beispiel.
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