Plötzlich ertönte eine Sirene, die Augen aller Anwesenden richteten sich auf den Metallarm in 168 Metern Höhe, der sich über dem 305 Meter breiten Aluminiumreflektor des Observatoriums in Position brachte. Knapp drei Minuten lang lauschten sie gebannt den Geräuschen aus den Lautsprechern. Wie das Klimpern einer Musicalmelodie auf einem gigantischen Synthesizer sollen die zweistimmigen Töne der Funkbotschaft geklungen haben, beschrieb der Astrophysiker Frank Drake als Initiator dieser interstellaren Botschaft den Moment später: "Dieses Lied, das so einzigartig und voller Sehnsucht war, bewegte uns tief. Ich sah, wie sich die Augen nüchterner Wissenschaftler mit Tränen füllten."
Flaschenpost ins All
Mit Lichtgeschwindigkeit sandte der Reflektor diese Botschaft in Richtung des Kugelsternhaufens "Messier 13 ", oder kurz "M13" genannt, der sich zum Sendezeitpunkt in idealer Position befand. 1679 Nullen und Einsen umfasste die irdische Mitteilung. Was da mittels Radiowellen ins All hinauseilte, war eine Art Flaschenpost mit allerhand Informationen über die Erde und die Menschheit - sie musste nur entschlüsselt werden. Falls tatsächlich eine außerirdische Zivilisation die vollen 1679 Bits empfängt, müssen ihre Wissenschaftler feststellen, dass sich diese Zahl nur durch 73 und 23 vollständig teilen lässt. Ordnet man die Nullen und Einsen in 73 Reihen zu jeweils 23 Zeichen auf, ergibt sich ein Bild.
Es müssten entweder sehr kluge oder fantasiebegabte Aliens sein, wenn sie diese Abbildung entschlüsseln wollen. Jede Menge Punkte und Striche, ein kleines Männchen sowie ein großes "M" mit Dach sind zu erkennen. Das "M" symbolisiert beispielsweise das Arecibo-Observatorium, die darüber befindliche Reihe mit zehn größeren und kleineren Punkten illustriert unser Sonnensystem mit seinen Planeten.
Zahlreiche weitere Informationen kann der begabte außerirdische Codeknacker über uns gewinnen: die wichtigsten chemischen Elemente für das Leben auf der Erde wie auch den Aufbau der menschlichen DNA. Außerdem könnten die Aliens herausfinden, dass ein Mensch im Schnitt 176,4 Zentimeter groß ist, und dass gut vier Milliarden von uns auf der Erde lebten - jedenfalls im Jahr 1974.
Schwieriger Empfang
Zweifel bestehen allerdings, ob ein Außerirdischer jemals dazu kommen wird, die kryptische Botschaft zu entschlüsseln. Die Bewohner des Kugelsternhaufens benötigen zunächst starke Radaranlagen, die Radiowellen empfangen können. Diese Empfänger müssten zudem in den 169 Sekunden, in denen die Nachricht auf ihren Planeten trifft, exakt in Richtung Erde gerichtet sein. Und dann die Frequenz: Wenn sie nicht die richtige überwachen, verhallt das Signal von der Erde ungehört.
Tatsächlich stellt die Arecibo-Botschaft vor allem eine riesige Werbeaktion dar. Am betreffenden 16. November 1974 hatten die Betreiber das Radioteleskop nach dreijährigen Reparaturarbeiten zum ersten Mal wieder in Betrieb genommen. Um dieses Ereignis angemessen zu würdigen, hatte Drake, Direktor des Observatoriums, gemeinsam mit dem Astrophysiker Carl Sagan und anderen Mitarbeitern die Arecibo-Botschaft entwickelt. Beide Wissenschaftler hatten sowieso seit Jahren im Rahmen des Forschungsprojekts SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) nach dem Beweis für außerirdische Intelligenz gesucht.
Hungrige Aliens
Nicht jeder Forscher brachte Verständnis für diesen Kontaktversuch auf. Der britische Hofastronom Sir Martin Ryle etwa, der 1974 den Nobelpreis für Physik erhielt, reichte bei der Internationalen Astronomischen Union eine Petition gegen derartige leichtsinnige Kontaktaufnahmen ein. Seine Begründung: "Wir können nie wissen, ob es dort draußen feindselige oder hungrige Geschöpfe gibt, und wenn sie von uns erfahren, könnten sie vielleicht kommen und uns angreifen oder auffressen." Immerhin verriet die Botschaft ja die Position der Erde.
Ryles Sorgen um die planetare Sicherheit wurden ignoriert. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte erhielten weit entfernte Planeten immer wieder Botschaften von der Erde. Wie zum Beispiel 1999 und 2003 die "Cosmic Calls" von einem Radioteleskop in der Ukraine. In der "Teen Age Message", die von Jugendlichen mitgestaltet und 2001 vom gleichen Radioteleskop in der Ukraine aus auf die Reise ging, verschlüsselten die Astronomen nicht nur wissenschaftliche Daten. Sie versandten auch Zeichnungen und Musikstücke. Sieben Jahre später konnten Außerirdische noch einmal Musik von der Erde hören: Von Spanien aus wurde zum 40. Jahrestag seiner Aufnahme der Beatles-Song "Across the Universe" durch den Kosmos geschickt.
Warten, warten, warten
Seitdem wartet die Menschheit auf eine Reaktion. Leistungsstarke Empfänger sind über unseren Planeten verteilt und überwachen das Universum. Unmengen an Daten fallen dabei an, die ausgewertet werden müssen. Vielleicht befindet sich unter all der Strahlung, die aus dem Weltall auf die Erde einprasselt, wirklich einmal eine außerirdische Botschaft. Wer dem SETI-Programm bei der Auswertung helfen will, kann auf der Internetseite von SETI@home ein kostenloses Programm herunterladen und mit der Rechenleistung des eigenen Computers Daten analysieren lassen.
Allerdings werden weder Frank Drake noch einer der anderen damals Anwesenden die Antwort einer außerirdischen Zivilisation auf ihre Botschaft erleben. Der Gruß an die Aliens muss rund 22.800 Lichtjahre zurücklegen, um sein Ziel zu erreichen. Die Antwort wird dann noch einmal so lange brauchen.
Quelle : spiegel.de
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