Mit dem Auslöser kam die Scham: Ein Dreißigjähriger, der auf dem Weg zur Arbeit ein Selfie von sich als Großmütterchen macht. In einer vollen U-Bahn. Unter den Blicken Dutzender anderer erwachsener Menschen. Ich schickte das Bild an meine kümmerlichen sechs Snapchat-Freunde und fühlte mich schlecht. Am anderen Ende des Abteils war die Snapchat-Session noch auf Hochtouren, von Scham selbstverständlich keine Spur.
Snapchat ist laut Ergebnissen der aktuellen JIM-Studie, für die im Frühsommer 1200 12- bis 19-Jährige befragt wurden, das soziale Netzwerk, das seine Wichtigkeit im Vergleich zum Vorjahr am stärksten steigern konnte. 45 Prozent der Befragten nutzen demnach den Dienst "regelmäßig", sprich: mindestens einmal pro Woche. 2015 waren es 31 Prozent.
Ähnlich ist die Entwicklung bei Instagram, fand der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest heraus. Das Fotonetzwerk nutzt gut die Hälfte der befragten Jugendlichen regelmäßig, 2015 kam Instagram noch auf einen Wert von 44 Prozent. Bei Mädchen ist die App beliebter als bei Jungen, dasselbe gilt für Snapchat.
Facebook ist doch uncool
Eher zurück geht das Interesse der jungen Leute an Facebook. Das Netzwerk wird zwar noch von immerhin 43 Prozent der Befragten regelmäßig genutzt, das aber auch vor allem von älteren Jugendlichen. 2015 kam Facebook aber noch auf einen Wert von 51 Prozent. Bei jungen Leuten geht es abwärts für das bekannteste Netzwerk der Welt.
Muss ich erwähnen, dass Facebook mein bevorzugtes Netzwerk ist? Twitter, das ebenfalls zu meinen Favoriten zählt, wird in der Pressemitteilung zur Studie nicht einmal erwähnt. Ich gehöre zu der Generation, die StudiVZ bevölkerte und irgendwann weiterzog. Es war alles irre aufregend. Vernetzt mit den Freunden und Bekannten aus aller Welt. Die sind dort heute immer noch, posten aber mittlerweile weniger Bilder von Partys oder Backpack-Trips und vermehrt von Hochzeiten und Kindern.
Das ist nicht die Lebenswelt der Jugendlichen. Was sollen sie dort? Sie erleben neue Geschichten und tauschen sie per Instagram und Snapchat aus, weitgehend werbefrei, oft im Privaten. Gern unter dem Radar der Eltern, die noch immer bei Facebook hocken. Das geht sie auch schließlich nichts an. Man könnte meinen, die Generation Snapchat sei der Generation Facebook recht fremd. Wäre da nicht WhatsApp.
WhatsApp verbindet die Generationen
Der Kurznachrichtendienst jedenfalls ist der unangefochtene Liebling der jungen Leute, er wird von 95 Prozent der Befragten regelmäßig genutzt. Gefragt, welche Apps ihnen am wichtigsten seien, antworten ebenfalls 95 Prozent der 12- bis 19-Jährigen: "WhatsApp". Alle anderen Dienste liegen deutlich dahinter.
Diese Zahlen stimmen dann doch versöhnlich. Zumindest bei WhatsApp funken Jung und Alt dann doch noch auf demselben Kanal. Und auch Facebook dürften sie beruhigen, gehört doch WhatsApp wie auch Instagram mittlerweile zu Mark Zuckerbergs Internetkonzern.
Gerade erreicht mich übrigens eine Nachricht von meiner Freundin. Nicht über WhatsApp, sondern über Snapchat: Der Weihnachtsstern hängt seit heute in der Wohnung. Ich freue mich über das Bild, und nach sieben Sekunden ist es wieder verschwunden. Bestimmt kann ich es bald auf ihrem Instagram-Kanal genau begutachten. Erst einmal schicke ich ihr aber einen Snap mit einem begeisterten Hundegesicht zurück.
Quelle : spiegel.de
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