Die Angehörigen bestatteten den Toten, dessen Name im Dialekt der Kurnu Baakantji-Aborigines so viel wie "älterer Bruder" bedeutet, im Gebiet des heutigen Toorale National Parks, dort wo sich die Flüsse Darling und Warrego treffen. So fanden Archäologen um Michael Westaway von der australischen Griffith University ihn vor zwei Jahren. Als sie die lange Kopfwunde sahen, hatten sie sofort die scharfen Säbel der Europäer als Mordwaffe im Verdacht.
Doch eine Datierung ergab, dass Kaakutja schon 600 Jahre tot war, als die ersten Europäer in seiner Region auftauchten. Die Hiebspuren in seinem Schädel wurden demnach von einer traditionellen australischen Waffe verursacht.
Der letzte Kampf
Wie die Forscher in ihrem Aufsatz in der Zeitschrift "Antiquity" berichten, war Kaakutja zum Zeitpunkt seines Todes bereits ein Veteran: Zahlreiche Verletzungen an seinen Knochen erzählen von länger zurückliegenden Kämpfen, in denen er Verwundungen davongetragen hatte, die aber verheilt waren. Allein sein Schädel hatte zuvor mindestens zwei schwere Schläge abbekommen. Eine ovale Einbuchtung oben und eine längliche Wunde auf der linken Seite des Stirnbeins müssen schon Jahre vor seinem Tod entstanden sein.
Nur in seinem letzten Kampf war ihm weniger Glück beschieden, die Heiler konnten ihm nicht mehr helfen: Als die Ausgräber seine Knochen bargen, fanden sie an der rechten Schädelseite eine dünne Schicht aus einem gipsartigen Material. Vielleicht stammt sie von einem Wundverband - möglicherweise ein letzter Versuch, ihn zu retten.
Stattgefunden hat dieser letzte Kampf irgendwann in den Jahren zwischen 1220 und 1280 nach Christus. Das konnten die Forscher nachweisen, indem sie zwei Knochenproben und Blätter datierten, auf die der Kopf des Toten bei der Bestattung gebettet worden war.
Hieb von hinten
In seinem letzten Kampf trug Kaakutja mindestens vier schwere Verletzungen davon: Eine gewaltige, 15 Zentimeter lange Scharte zieht sich vom rechten Überaugenwulst über das Jochbein bis zum Unterkiefer hin. Der Hieb war so kraftvoll, dass er den dünnen Knochen über den Wurzeln der ersten Backenzähne regelrecht abrasierte. Dies war jedoch nicht der einzige Angriff auf das Gesicht. Am Unterkiefer fanden die Anthropologen weitere Schnittspuren.
Auch die Schulter wurde in Mitleidenschaft gezogen, dem Kopf des Oberarmknochens fehlt ein glattes, kreisrundes Stück. Bezeichnenderweise fehlt es genau dort, wo der Knochen normalerweise vom Schulterblatt geschützt ist. Kaakutja muss also, als dieser Schlag ihn traf, den Arm nach vorne ausgestreckt haben - zum Beispiel, während er auf allen Vieren am Boden kniete und von hinten angegriffen wurde. Von vorne kam dagegen ein Hieb, der ihm die Rippen zerschmetterte. Auf der linken Seite sind die Rippen zwei bis fünf beschädigt. Und zwar so, dass es vermutlich einen Schlag von oben nach unten gegeben hat.
Mindestens 15 Zentimeter lange Klinge
Welche dieser Verletzungen tödlich war, können die Anthropologen allein anhand der Knochen nicht feststellen. Möglich wäre, dass er an seinen vielen Wunden verblutete. Zwar ließen sich damals schon äußere Blutungen mit Verbänden und Salben stillen - innere Blutungen aber konnte im 13. Jahrhundert in Nordwestaustralien niemand behandeln.
Doch welche Waffe konnte solche Schäden anrichten? Die Gesichtswunde wurde von einer scharfen, mindestens 15 Zentimeter langen Schneide verursacht - möglicherweise sogar noch länger. Damit scheidet die traditionelle Steinaxt jener Tage aus, deren Klinge im Schnitt nur um die 7,7 Zentimeter lang war. Auch die Klinge der "Lil-Lil" genannten Wurfkeule war mit durchschnittlich nur 12,7 Zentimeter Länge zu kurz.
Viel wahrscheinlicher ist, dass Kaakutja einem Bumerang zum Opfer fiel. Diese hatten zu jener Zeit Klingen zwischen 38,1 und 45,7 Zentimetern Länge - und kommen somit als Mordwaffe in Frage. Doch mit modernen Bumerangs haben diese Waffen kaum etwas zu tun. Die großen, schweren Kampfbumerangs der Aborigines kamen nicht zum Werfer zurück. "Sie waren entweder dafür gemacht, große Tiere wie Kängurus oder Emus niederzustrecken oder für den Kampf," erklärt Ausgräber Michael Westaway. "Sie waren nie dafür gedacht zurückzukommen."
Mit dem Bumerang Tiere töten
Ob ein Bumerang tatsächlich als tödliche Waffe genutzt wurde, war bislang noch eine offene Frage. Zwar fanden australische Archäologen an Knochen von Aborigines relativ häufig verheilte Wunden, die von Bumerangs verursacht worden sein könnten. An den Bruchrändern war aber stets neuer Knochen entstanden, die Getroffenen hatten nach dem Schlag noch lange weitergelebt.
Bislang gab es nur einen Fall aus der Zeit um 1600 vor Christus, in dem der Treffer mit einem Bumerang offenbar tödlich verlaufen war. Die Verletzung von Kaakutja wäre der zweite Fall - und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Aborigines den die Wurfwaffe tatsächlich im Kampf mit der vollen Absicht zu Töten eingesetzt haben.
Moderne Bumerangs sind dagegen eher Sportgeräte für die Freizeit. "Die meisten Aborigines gehen heutzutage nicht mehr mit Bumerangs auf die Jagd, sondern mit Gewehren - was ja auch sehr viel mehr Sinn ergibt", kommentiert Westaway. Allerdings setzten sie in der Vergangenheit durchaus auch Boomerangs ein, "zum Beispiel, um Vögel von Teichen, Lagunen oder anderen Gewässern aufzuscheuchen und in niedrig hängende Netze zu treiben." Für Kaakutja kommt diese friedlichere Nutzung des Fluggeräts ein paar hundert Jahre zu spät.
Quelle : spiegel.de
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