Die Seriensieger

  12 Dezember 2016    Gelesen: 632
Die Seriensieger
Drei Starts, drei Siege: Laura Dahlmeier beschert den deutschen Biathlon-Frauen auch in der Staffel den ersten Platz. Auch die Herren überzeugen – können einem aber weiterhin nicht das Wasser reichen.
Die letzte Lücke in seiner Weltcup-Plaketten-Sammlung hat Martin Fourcade geschlossen. In allen wichtigen Biathlonstadien dieser Welt hat der 28 Jahre alte Franzose schon gewonnen. Nur in Pokljuka war der zweifache Olympiasieger von Sotschi bislang leer ausgegangen. Aber das ist seit dem Wochenende kein Thema mehr. Sieg im Sprint, Sieg in der Verfolgung, mit einer Selbstverständlichkeit, die seine Rivalen bisweilen verzweifeln lässt: Es waren seine Weltcup-Siege Nummer 50 und 51. Und als Zugabe brachte er am Sonntag auch die französische Staffel souverän als Erste ins Ziel, vor Russland und dem deutschen Quartett, in dem der Weltcup-Neuling Matthias Dorfer auf Anhieb überzeugte.

Es war auch für die deutschen Skijäger ein ordentlicher Auftritt auf dem sonnigen slowenischen Hochplateau, mit Tendenzen nach oben, vor allem bei Simon Schempp mit den Plätzen fünf und sechs in Sprint und Verfolgung. Der Schwabe war einer derjenigen, die Fourcade in der vergangenen Saison bisweilen in heiße Duelle verstrickt haben. Und insgeheim hat er sich Hoffnungen gemacht, in diesem Jahr den Meister noch stärker herauszufordern. Im Sommer hat er gar vier Tage mit dem Branchenprimus in dessen Heimat trainiert, in dessen Haus geschlafen. Natürlich hat Fourcade die Karten da genauso wenig aufgedeckt wie sein deutscher Gast, aber nach den ersten beiden zwei Weltcups muss Schempp feststellen, dass der Champion wieder ein Stück entrückt ist: „Er zeigt wirklich, was Biathlon ist. Einen Besseren gab’s einfach noch nie und er konnte noch mal ‚ne Schippe drauflegen – Respekt. Er ist sicherlich nicht unschlagbar, aber es wird verdammt schwer.“

Natürlich ist das kein Grund zu resignieren, aber so lange Fourcade keine Schwächen zeigt, läuft der Rest der Biathlonwelt hinterher. Erik Lesser, der Verfolgungs-Weltmeister von 2015, findet immerhin Trost in den unterschiedlichen Formkurven. Die von Fourcade fängt in der Regel oben an und fällt dann ganz behutsam, bei den Deutschen ist es meistens umgekehrt. Was nichts daran ändert, dass Fourcade „ein außergewöhnlicher Athlet mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ist“, wie Mark Kirchner, der Bundestrainer, sagt. Selbst wenn der Champion sich mal Schwächen erlaubt, kann er den Schaden immer noch begrenzen: „Das macht für mich einen Spitzenathleten aus.“ Und selbst wenn Fourcade mal über Unwohlsein klagt, hat das kaum Konsequenzen. „Wenn er sagt, er ist schlecht drauf, wären wahrscheinlich die meisten anderen froh, wenn sie jemals sagen könnten, sie wären so gut drauf“, sagt Kirchner. Fourcade ist eine Klasse für sich und taugt vorerst nur bedingt als Orientierungspunkt für seine Männer.

Aber ausgerechnet eine deutsche Biathletin hat sich „Martin“ zum Vorbild erkoren. Laura Dahlmeier, die gerade einen ähnlichen Lauf hat wie der Franzose, hat es ja nach ihren Weltcup-Siegen neun und zehn in Pokljuka offen gesagt: „Ich möchte ähnlich erfolgreich werden wie Martin.“ Das mag vielleicht vermessen klingen, aber in ihrer derzeitigen Verfassung sind das keine Hirngespinste. So wie sie am Sonntag als Schlussläuferin der deutschen Staffel zuerst den Rückstand auf die mehrmalige Weltmeisterin Marie-Dorin Habert aufholte, kurz vor dem letzten Schießen wie selbstverständlich die Führung übernahm, alle fünf Projektile traumwandlerisch sicher ins Ziel brachte und die Französin im Finale mit einem kurzen Antritt hinter sich ließ, das entlockte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig wieder mal ein „überragend“. Und Laura Dahlmeier befand: „Ich war total locker und habe es richtig genossen.“ Zumindest in ihrer Pokljuka-Bilanz hat sie schon mal mit Fourcade gleichgezogen.

Aber natürlich steht die Verfolgungs-Weltmeisterin trotz ihrer fünf WM-Medaillen von Oslo erst am Anfang, schließlich läuft sie in dieser Saison erstmals im Gelben Trikot, während Fourcade schon auf den sechsten Gesamt-Weltcup-Sieg in Folge zusteuert. Da kommt ein Faktor ins Spiel, der weit über Treffsicherheit, die körperliche Präsenz, die die Konkurrenz beeindruckt, die Fähigkeit, das volle Potential genau dann zu entfalten, wenn es darauf ankommt. Die mentale Stärke, sich auch von kleinen Missgeschicken nicht vom Kurs abbringen zu lassen. Wie sagt Hönig: „Wenn Laura die Null braucht, bringt sie sie auch.“ So wie Fourcade. Das hat mit ausgeprägtem Selbstvertrauen zu tun, ein Vertrauen, das sich aber auf realistische Einschätzung gründet. Das ist etwas, was Laura Dahlmeier trotz ihrer Jugend schon besitzt: „Es ist für mich beeindruckend, wie realistisch sich ein Mädel in diesem Alter schon einschätzen kann“, sagt Hönig. „Aber sie weiß, sie kann sich auf ihr Schießen verlassen wie nur wenige im Weltcup. Da ist sie begnadet. Dazu kommt die mentale Stärke, das auch im richtigen Moment abrufen zu können. Die Laura gehört zu denen, die sich keinen richtigen Ausrutscher leisten.“ So wie Fourcade.

Aber natürlich steht die Verfolgungs-Weltmeisterin trotz ihrer fünf WM-Medaillen von Oslo erst am Anfang, schließlich läuft sie in dieser Saison erstmals im Gelben Trikot, während Fourcade schon auf den sechsten Gesamt-Weltcup-Sieg in Folge zusteuert. Da kommt ein Faktor ins Spiel, der weit über Treffsicherheit, mentale Stärke, Fitness, oder Athletik hinausgeht: Die Robustheit, die Belastungsfähigkeit. Mit einem Wort: die Gesundheit. Das ist die große Baustelle von Laura Dahlmeier, die bislang noch keine Saison von Krankheiten verschont geblieben ist. Andererseits ist es das, was Fourcade auszeichnet. Der Mann ist praktisch nie krank. „Den Körper hat er einfach“, sagt Kirchner „das ist sein großes Pfund.“


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