Grund seines Ärgers: Eine Gruppe von Lehrern, die sich Teachers for Refugees nennt, hat in dieser Woche mit bedruckten T-Shirts gegen Australiens Flüchtlingspolitik demonstriert: "Im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer und auf den Straßen können Lehrer eine starke Rolle spielen bei der Kampagne für Flüchtlinge und Asylbewerber", heißt es auf der Facebook-Seite der Kampagne. Viele posteten dort Bilder von sich in den T-Shirts.
Laut "Guardian" wollten allein im Bundesstaat Victoria Hunderte Lehrer mitmachen. "Schließt die Lager, bringt sie her", ist neben dem Bekenntnis "Lehrer pro Flüchtlinge" auf der Kleidung zu lesen. Migranten, die auf See aufgegriffen werden, kommen in Internierungslager in Australiens Nachbarländern. Auf den Pazifikinseln Nauru und Manus sind rund 1300 Bootsflüchtlinge gefangen. Die Uno kritisierte die Flüchtlingspolitik als grausam und menschenunwürdig.
Das Vorhaben hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob Lehrer sich im Unterricht politisch positionieren dürfen.
"Teach, don`t preach", sagen die Kritiker. Die Lehrer sollen unterrichten, nicht predigen. Premier Turnbull stellt den politischen Aktivismus sogar in Zusammenhang mit dem schlechteren Abschneiden Australiens beim jüngsten Pisa-Test: "Es gibt eine Menge zu tun, und politische Kampagnen gehören nicht dazu."
Die Befürworter hingegen finden die Flüchtlingspolitik "absolut unangemessen", nicht den Protest dagegen. Sie haben eine Petition gestartet, um sich mit den Lehrern zu solidarisieren und gegen mögliche Disziplinarmaßnahmen zu protestieren.
In Deutschland gilt das Neutralitätsgebot
Wäre ein solcher Protest in Deutschland möglich? Hierzulande müssen sich Lehrer politisch neutral verhalten. Das regelt etwa das Beamtenstatusgesetz.
In Schulgesetzen, zum Beispiel in Baden-Württemberg, ist der Grundsatz ebenfalls festgeschrieben - und gilt damit auch für Angestellte. Demnach dürfen Lehrer an öffentlichen Schulen "keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben", die die Neutralität "gegenüber Schülern und Eltern" gefährden oder stören.
Parteienwerbung ist tabu
Klare Handreichungen, was zulässig ist und was nicht, gibt es laut Christine Sattler vom baden-württembergischen Schulministerium aber nicht. "Die Tatsache allein, dass ein Lehrer eine Weltanschauung hat, gefährdet die Neutralität nicht", sagt Sattler. Gegen ein T-Shirt, das sich für Flüchtlinge ausspricht, ist laut Sattler grundsätzlich nichts einzuwenden.
Eindeutiger sei es bei Parteiemblemen. "Die Grenze des Zulässigen ist zum einen die Wahlbeeinflussung und zum anderen die freiheitlich demokratische Grundordnung", erklärt Ilka Hoffmann, Leiterin des Bereichs Schule bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Abkürzungen CDU und SPD sind für Lehrer demnach genauso tabu wie verfassungsfeindliche Symbole.
Lehrer engagieren sich eher privat
Eine gerichtliche Auseinandersetzung gab es hingegen über die Frage, ob muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2015 pro Kopftuch: Eine abstrakte Möglichkeit, dass der Schulfrieden durch die weltanschauliche Positionierung gefährdet sei, reiche für ein Verbot nicht aus.
An weitere Prozesse können sich weder Sattler noch Hoffmann erinnern. Hoffmann erklärt sich das auch mit der Sozialisation der Lehrer in Deutschland: Sie seien mit politischen Botschaften an Schulen generell vorsichtig. Politisches Engagement werde in den privaten Bereich verlegt.
Quelle : spiegel.de
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