Frankreich will unabhängige europäische Verteidigung – Experten: ein Wunschdenken

  20 Januar 2017    Gelesen: 308
Frankreich will unabhängige europäische  Verteidigung – Experten: ein Wunschdenken
Französische Politologen und Politiker haben in Interviews mit Sputnik das jüngste Plädoyer des Französischen Premiers, Bernard Cazeneuve, für die Bildung einer gesamteuropäischen Armee als Wunschdenken bezeichnet.
Am Dienstag hatte sich der französische Ministerpräsident Bernard Cazeneuve in seiner Rede vor der Nationalversammlung für eine unabhängige europäische Verteidigung ausgesprochen. Es sei die Unabhängigkeit von (anderen — Anm. D. Red.) Staatsmächten, die die europäischen Grundsätze, Werte und Identität bestätigen solle, sagte er.

Seine Worte wurden als eine Art Reaktion auf die Äußerung von Donald Trump ausgelegt, der die Nato als veraltete Organisation bezeichnet hatte.

Die Äußerung von Cazeneuve ähnele einem Eingeständnis, dass eine unabhängige europäische Armee notwendig sei, sagte der Wissenschaftler des Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS) Christophe Reveillard. Denn bislang seien alle Erwähnungen einer eventuellen europäischen Armee immer wieder mit der Nato verbunden worden.

«Eine beliebige europäische Säule des westlichen Verteidigungssystems war tatsächlich eine Krücke der amerikanischen Nato und stand unter US-Kommando, denn wir wissen ja sehr gut, dass der Oberste Verteidigungsrat der Nato von den Amerikanern geleitet wird.

Allerdings sieht Reveillard auch deutliche Hindernisse für die Schaffung unabhängiger europäischer Streitkräfte. Die Verteidigung, wie auch die Diplomatie, könne nicht ein Ergebniss der Fusion bestehender Geopolitiken verschiedener Länder sein, weil jedes EU-Land ihre eigene Geopolitik habe.

Eine richtige gemeinsame europäische Verteidigung setze einen föderativen Staat und eine „Verschmelzung" der Nationen voraus, betonte der Wissenschaftler. Die bestehenden EU-Verträge sähen allerdings vor, dass die Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im Rahmen der Nato geprägt werde. „Man müsste also alle Abkommen revidieren und eine neue föderative und föderalistische Vision der europäischen Verteidigung entwickeln, was mir heutzutage ziemlich unrealistisch scheint".

Die Aussichten einer europäischen Armee bewertet auch François Lafond von der Redaktion der europäischen Denkfabrik Volta als «unerwünscht und unmöglich zu implementieren». Man müsse aber gemeinsame Bataillone bilden oder Teile der nationalen Armeen vereinigen, die zusammenwirken könnten, damit man an militärischen Operationen auf äußeren Kriegsschauplätzen teilnehmen könne.

Die Unvermeidlichkeit des „europäischen Föderalismus" betonte auch der Vizechef des Parlamentsausschusses für europäische Angelegenheiten, Jérôme Lambert:

«Wenn wir uns auch weiter in diese Richtung bewegen wollen, setzt das unbedingt eine Außenpolitik voraus und damit auch eine europäische Regierung, denn es kann keine Außenpolitik geben ohne eine Politik, die die politischen, wirtschaftlichen und andere Interessen schützen würde. Es handelt sich hier also eindeutig um einen europäischen Föderalismus, von dem wir meiner Ansicht nach noch weit entfernt sind».

Quelle : sputnik.de

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