Wechsel im Weißen Haus

  20 Januar 2017    Gelesen: 329
Wechsel im Weißen Haus
Gleich nach seiner Vereidigung am Freitag kann Donald Trump den Kurs der USA per Dekret verändern. Zu Recht fürchtet Barack Obama um viele seiner politischen Projekte. Der neue Präsident weiß genau, wo er als Erstes ansetzt.
Jedes Ende ist ein Anfang. Auch in Washington. Während Donald Trump am Freitag seinen Amtseid vor dem Kapitol ablegt, findet zeitgleich im Weißen Haus eine weitere, banalere Übergabe statt. Die Obamas verlassen das Haus endgültig, die Trumps ziehen ein, und dafür bleiben nur wenige Stunden Zeit.

Möbel, Kunstwerke, selbst Matratzen und Toilettenpapier: Fast alles wird ausgetauscht. Obamas Umzugstruck fährt ein letztes Mal am Südeingang vor, Trumps Lastwagen gleichzeitig am Nordeingang. Ein Teil des Inventars gehört dem Staat; sollte Trump es nicht brauchen, wird es eingelagert.

Was er auf jeden Fall nicht behalten will, hat Trump bereits deutlich gemacht - und das ist die Politik seines Vorgängers. Es geht um Themen wie Umweltschutz, Einwanderung und Steuern, Projekte wie Waffenkontrolle und Obamacare. Hunderte Verordnungen, Gesetze, Anweisungen und Abkommen stehen auf der "kill list", der Abschussliste, die Trump ab dem ersten Arbeitstag im Weißen Haus abarbeiten will.

Auf diesen Feldern sind wichtige Veränderungen zu erwarten:

Trumps schlagzeilenträchtigstes Versprechen ist der Bau einer Mauer entlang der mexikanischen Grenze, die von Mexiko bezahlt werden soll. Ein solches Mammutprojekt würde bis zu 25 Milliarden Dollar kosten, und Mexikos Regierung hat klargestellt, dass sie dafür nicht aufkommen wird.

Trump meint aber, ein Hintertürchen gefunden zu haben: Er will den Bau per Dekret sofort beginnen - man darf auch bald mit einem symbolischen Spatenstich rechnen - und Mexiko das Geld dafür erst später abnehmen. Wie? Durch neue Zollgesetze, die im Jahr rund 13 Milliarden Dollar aus mexikanischen Kassen in den US-Haushalt spülen könnten.

Seine Wahlkampfdrohung gegen alle rund 13 Millionen illegalen Einwanderer hat Trump dagegen abgeschwächt: Nun will er "nur" bis zu drei Millionen "Vorbestrafte" deportieren, was unter anderem fast zwei Millionen "Dreamers" (die Kinder undokumentierter Eltern) verschonen würde. Doch "vorbestraft" ist ein dehnbarer Begriff, der schlimmstenfalls wieder auf alle illegale Immigranten angewendet werden könnte - und könnte zu Schnellabschiebungen führen, die örtlichen Sheriffs enorme Macht gäben.

Eine weitere Drohung Trumps: Er will den sogenannten Sanctuary Cities, also Schutzzonen für illegale Einwanderer, staatliche Zuwendungen streichen. Das würde jedoch zu großem Krach im Kongress führen: Es gibt mehr als 300 solcher Gemeinden - darunter Metropolen wie New York, Chicago, San Francisco und Los Angeles.

Die Rücknahme von Obamas Gesundheitsreform ist eine Top-Priorität Trumps. Seit Wochen macht er Druck auf die Republikaner, einen Ersatzplan zu erarbeiten. Die hatten eigentlich vor, Obamacare erst einmal nur formell zu beerdigen und dann im Laufe der Zeit eine Alternative vorzulegen - vielleicht 2017, vielleicht 2018. Das möchte Trump unbedingt vermeiden. Er fürchtet, dass der Versicherungsmarkt auseinanderfliegen könnte, wenn die Rahmenbedingungen über Monate oder womöglich Jahre nicht klar sind.

Das Problem: Er selbst scheint keine genaue Vorstellung davon zu haben, wie der Ersatzplan aussehen soll. In einem Interview versprach er kürzlich "eine Versicherung für jeden". Davon rückte er am Mittwoch in einem Gespräch mit der neuen News-Website Axios wieder ab. Es gehe ihm vor allem darum, dass die ärmsten Amerikaner versichert seien. Das allerdings ist auch eine der zentralen Ideen von Obamacare.

Trumps Kritiker setzen darauf, dass er schnell realisieren wird, wie schwierig eine Rücknahme der Gesundheitsreform ist und wie groß die Risiken sind, dass ausgerechnet seine Kernklientel von höheren Versicherungsbeiträgen und geringerem Schutz betroffen sein könnte. Andererseits: Versuchen muss es Trump. Das Thema war zu wichtig für ihn im Wahlkampf, als dass er es einfach verschwinden lassen kann.

Trump hat angekündigt, fast alle Errungenschaften Obamas für den Klimaschutz rückgängig zu machen. So will er alle Einschränkungen für die Gas- und Kohleindustrie wieder aufheben. In Trumps Worten: Er will den "Krieg gegen die Kohle" beenden und Amerika "energieunabhängig" machen - obwohl die Branche schon unter Obama Rekordzahlen produzierte. Auch die Arktisgebiete Alaskas will Trump wieder für Ölbohrungen freigeben, ebenso die unter Obama gesperrten Nordatlantik-Regionen. Kontroverse, von Obama gestoppte Pipelines wie Keystone in South Dakota will Trump "im Schnellverfahren" fertigstellen lassen.

Ein weiterer Punkt auf Trumps Öko-Abschussliste sind die von Obama zugesagten drei Milliarden Dollar an den Klimafonds der Uno, von denen das Weiße Haus kurz vor dem Stabwechsel schnell noch 500 Millionen Dollar überwiesen hatte.

Vieles davon kann Trump im Alleingang tun, da Obama diese Regeln oft als präsidiale Dekrete ("executive orders") am Kongress vorbei erlassen hat. Trumps Handlanger dabei wird Innenminister Ryan Zinke sein, der Öl-Exploration mit harmlosen Hobbys wie Jagen und Fischen gleichgestellt hat. Trotzdem wird das nicht ohne Widerstand ablaufen. In North Dakota gab es monatelang Proteste gegen den Bau einer Pipeline, bevor das Projekt gestoppt wurde. Die Demonstranten dort halten sich in einem Zeltlager bereit.

Auch beim Obersten Gerichtshof stehen Veränderungen an. Antonin Scalia, der erzkonservative, prominente Richter am Supreme Court, starb vor fast einem Jahr. Einen Monat später nominierte Obama den moderaten Richter Merrick Garland als Nachfolger. Doch die Republikaner blockierten Garlands Nominierung, indem sie sich weigerten, die nötigen Senatsanhörungen zu halten. So blieb der Supreme Court - der unter anderem über zentrale Gesellschaftsfragen wie Bürgerrechte und die Zukunft der Todesstrafe entscheidet - für den Rest des Jahres in einer Patt-Besetzung (4:4). Resultat: Das Gericht nahm weniger Fälle an und zeigte sich bei anderen unentschieden, was automatisch die Urteile der letztniedrigen Instanz bestätigte.

Trump hat inzwischen eine Namensliste mit 20 Kandidaten vorgelegt, um die Vakanz schnellstmöglich zu füllen. Es sind allesamt erzkonservative Juristen, die die Balance des Supreme Court auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, nach rechts kippen würden. Die Demokraten erwägen aus Protest eine womöglich unbefristete Blockade im Senat - dagegen begehren die Republikaner plötzlich auf.

Trump träumt von der ganz großen Steuerreform. Unternehmenssteuern sollen sinken, die Belastungen für individuelle Amerikaner auch, und zwar durch alle Einkommensklassen - von arm bis superreich. Am liebsten natürlich sofort.

Wie das Modell aussehen könnte und vor allem wie Trump vermeiden will, dass die Pläne ein gigantisches Loch in den Haushalt reißen, ist völlig unklar. Es gibt ein paar Zahlen und Vorstellungen, aber im Grunde basiert Trumps Traum bislang auf der simplen Theorie, dass es sich schon irgendwie selbst refinanzieren wird. Und zwar so: Wenn Firmen weniger Steuern zahlen und ihr Gewinn steigt, stellen sie mehr Amerikaner ein und das Steueraufkommen wird größer. So einfach dürfte das kaum werden.

An einer Steuerreform sind schon viele Präsidenten gescheitert. Jeder Versuch, im Kongress ein neues Modell zu finden, wird zum politischen Geschacher, weil Befürworter wie Gegner die Steuerpolitik mit anderen Feldern verknüpfen. Das dürfte unter Trump kaum anders werden. Hier wird er sich in großer Geduld üben müssen.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker