Reuters kündigte jüngst an, dass die für Europa und Eurasien zuständige US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland gleich nach dem Amtsantritt des neuen Staatschefs zurücktreten werde. Zwar gehörte sie zu den 50 Beamten, denen Trumps Übergangsteam angeboten hatte, ihre Posten weiter zu bekleiden. Aber Nuland soll ihren Kollegen gesagt haben, sie wolle nicht unter Trump arbeiten. Zudem läuft am Freitag die Amtszeit von Vizepräsident Joe Biden ab.
Dabei waren Biden und Nuland die einflussreichsten Personen, die Washingtons Ukraine-Politik prägten. Nach ihrem Weggang entsteht wohl ein Vakuum, das Trumps Administration nicht sofort füllen will – so Leid das Kiew auch tut.
Biden besuchte Kiew mindestens zwei Mal im Jahr und kontaktierte ständig mit dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten der Ukraine per Telefon. Nuland war ihrerseits die „Chefarchitektin“ der US-Politik im Kontext der Ukraine-Krise. Nach dem Beginn des „Euro-Maidans“ Ende 2013 besuchte sie mehrmals Kiew und unterstützte öffentlich die Gegner des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Nach dem verfassungswidrigen Umsturz pflegte sie Kontakte mit den neuen Machthabern in Kiew, die quasi von Washington bestimmt wurden. Für großes Aufsehen sorgte Nuland, als sie in einem Telefonat mit dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, die EU grob beleidigte. Zudem brachte sie die finanzielle Unterstützung der Ukraine durch den IWF voran und sorgte für Einheit in der EU in Fragen der Russland-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise.
Über die Gründe für Nulands Rücktritt ist kaum etwas bekannt. Vermutlich ist sie aber mit der Politik der künftigen US-Administration nicht einverstanden. Denn Trump erklärte wiederholt, er wolle eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland, und schloss eine Milderung bzw. Abschaffung der antirussischen Sanktionen und sogar die Anerkennung der Krim als Teil Russlands nicht aus, Das alles widerspricht absolut der bisherigen Politik Washingtons, die Nuland mitprägte.
Wer in Washington künftig für die Ukraine-Politik zuständig sein könnte, bleibt vorerst unbekannt. Was die Perspektiven der Kontakte zwischen Washington und Kiew auf höchster Ebene angeht, so gab es bislang keine Anzeichen, dass sich Trump intensiv mit der Lösung der Ukraine-Problematik beschäftigen will. Zwar erklärte sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko, er wolle sich schon im Februar mit Trump treffen, aber Washington bestätigte dies nicht.
Laut Medienberichten wollte sich Poroschenko im September 2016 am Rande der damaligen UN-Vollversammlung in New York mit beiden US-Präsidentschaftskandidaten treffen. Die Demokratin Hillary Clinton empfing ihn tatsächlich und versicherte, sie würde die Ukraine künftig unterstützen. Trump aber reagierte nicht einmal auf Poroschenkos Initiative, sich zu treffen.
Es könnte aber auch noch einen anderen Grund für das Verhalten des neuen US-Präsidenten gegenüber Kiew geben. Dazu äußerte sich unlängst die Zeitung „Politico“: Die Ukrainer hatten während der US-Wahlkampagne voll und ganz Clinton unterstützt und halfen ihr sogar beim Sammeln von Informationen, die Trump und sein Team diskreditieren könnten. Opfer war am Ende Trumps Wahlstabschef Paul Manafort, der zuvor Berater des ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch gewesen war. In der Ukraine soll er sogar bestochen worden sein. Diese Informationen wurden nie bestätigt, aber Trump musste Manafort opfern, um seinem Wahlkampf nicht zu schaden.
Allerdings darf Kiew wohl mit weiterer Unterstützung des US-Kongresses rechnen, denn viele Mitglieder fordern Trump auf, seine Versuche zur Annäherung mit Moskau aufzugeben und die aktuellen Russland-Sanktionen weiter gelten zu lassen.
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