Venus und die 15 Monate jüngere Serena Williams gewannen Titel wie am Fließband; achtmal spielten sie bei Grand-Slam-Turnieren miteinander und gegeneinander um den Titel, und manch einer dachte damals: Okay, wieder ein Endspiel der Schwestern.
Aber wer hätte allen Ernstes gedacht, dass die beiden 19 Jahre nach der ersten Begegnung als Profis auf der Tour in derselben Arena nochmal um den Titel spielen würden? Die eine fast 37 Jahre alt, die andere 35; sieben Grand-Slam-Titel im Trophäen-Schrank der einen, 22 in der Auslage der anderen. Dass Serena auch in diesem Jahr wieder beim letzten Spiel dabei sein würde, konnte man spätestens nach dem Ende der ersten Woche der Australian Open ahnen. Die verblüffende Variante geht eindeutig auf das Konto der älteren Schwester.
Mit 34 unter den Top 10
Nachdem vor fünfeinhalb Jahren bei Venus Williams das Sjögren-Syndrom, eine Autoimmunkrankheit, festgestellt worden war, hatte es manchmal so ausgesehen, als nähere sich die Karriere der Älteren dem Ende. Die großen Endspiele schienen danach nur noch für Serena reserviert zu sein, Venus gehörte zwischenzeitlich in der Tennis-Weltrangliste nicht mehr zu den besten 50.
Umso bemerkenswerter war es, als sie 2015 im zarten Alter von 34 Jahren unter die Top Ten zurückkehrte und dass sie im vergangenen Jahr noch mal das Halbfinale in Wimbledon erreichte. Wimbledon, der Ort ihrer größten Erfolge, an dem sie fünf Titel gewann.
Wenn Serena nun sagt, dieses Finale am Samstagabend in der Rod Laver Arena gegen die Schwester werde vermutlich der beste Moment der gemeinsamen Karriere sein, dann hat diese Behauptung einen massiven Wert. Sie selbst beendete im Halbfinale die berührende, unendlich inspirierende Erfolgsgeschichte von Mirjana Lucic-Baroni mit einem klaren Sieg; die Kroatin schenkte dem Turnier noch einen Gänsehaut-Moment, als sie nach dem Spiel ihr Handy aus der Tasche zog, um sich selbst vor der Kulisse von 15.000 Bewunderern für die Ewigkeit festzuhalten.
Frischer, mutiger und selbstbewusster
Verblüffend hingegen wirkte die Art, wie Venus gegen die dritte Amerikanerin der Halbfinals gewann, Coco Vandeweghe. Sie steckte den Verlust des ersten Satzes weg, änderte danach ein wenig ihre Taktik und brachte Vandeweghe aus dem Konzept. Am Ende machte sie, die elf Jahre Ältere, den frischeren, den mutigeren, den selbstbewussteren Eindruck. Gar nicht zu reden von ihrem quietschenden, kindlichen Jubel nach dem Matchball mit doppelten Pirouetten und dreifacher Freude.
Innerlich sei sie ja wirklich noch ein Kind, sagte sie hinterher, aber sie verriet auch ein paar Ansichten, die man in Stein meißeln könnte. „Sport“, sagte sie, „das ist Triumph und Desaster in Echtzeit. Da gibt es keine Wiederholung, keine Neu-Aufnahme und keinen neuen Text. Die Leute erkennen einen Champion, aber sie können auch mit demjenigen, der nicht gewinnt, was anfangen, weil wir schließlich alle solche Momente erleben.“
Nach dem ersten gemeinsamen Spiel in der Rod Laver Arena vor 19 Jahren war Venus Williams zu dem Schluss gekommen, es sei am besten, sie würde mit der kleinen Schwester einen Pakt schließen, immer die Nummer eins und zwei zu sein, um sich nur in Finals begegnen zu müssen. Ziemlich lange funktionierte dieser Pakt, dann schien er nicht mehr möglich zu sein.
14 Jahre nach dem einzigen gemeinsamen Endspiel in Melbourne, fast acht Jahre nach dem bislang letzten Familienfinale bei einem Grand-Slam-Turnier in Wimbledon, werden Venus und Serena Williams wieder um den Titel spielen. Serena versichert, einen größeren Traum habe man ihr nicht erfüllen können. „Was immer auch passiert, dieses eine Mal habe ich das Gefühl, dass ich nicht verlieren kann und dass auch sie nicht verlieren kann.“ Am Fuße des Regenbogens fügt sich alles auf eine kaum zu glaubende Art.
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