Die CSU beharrt auf einer Obergrenze für Flüchtlinge, die CDU-Spitze ist dagegen. Den großen Streitpunkt haben die Schwesterparteien nicht ausgeräumt. Das hat den Vorteil, dass niemand einknicken musste und als Verlierer dasteht. Dass die Schwesterparteien mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den Wahlkampf ziehen, ist legitim. Problematisch ist jedoch, dass sie bei einem der wichtigsten Themen so weit auseinanderliegen. Kriegt, wer die Union wählt, am Ende nun eine Obergrenze oder nicht? Wird CDU-Chefin Angela Merkel umkippen, weil die CSU nach der Wahl keinen Koalitionsvertrag unterschreibt, in dem die Obergrenze nicht drinsteht? Alles ist möglich, nichts sicher. CDU und CSU werden im Wahlkampf nicht klar sagen können, was kommt, weil sie es schlicht selbst nicht wissen.
SPD gegen Union: geschlossen gegen zerstritten
Die beiden Parteien raufen sich vor allem deshalb zusammen, weil ihnen acht Monate vor der Bundestagswahl gar keine andere Möglichkeit bleibt. Und sie tun es, weil der "Schulz-Effekt", den SPD-Anhänger dieser Tage bejubeln, sie diszipliniert. Nach der Kür ihres Spitzenkandidaten erlebt die SPD einen kräftigen Aufwind. In mehreren Umfragen ging es innerhalb weniger Tage auf knapp 30 Prozent hoch. Dass die Genossen wieder an sich selbst glauben, hat auch damit zu tun, dass die Partei nicht mehr mit sich selbst und ihrer Führung fremdelt. Die SPD ist wieder geschlossen und gibt ein stimmiges Gesamtbild ab.
Auch die Abnutzungserscheinungen der Union haben einen beträchtlichen Anteil daran, dass Schulz am Ende tatsächlich eine Chance haben könnte, Kanzler zu werden. Eineinhalb Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise sind Merkel, CDU und CSU nicht mehr deckungsgleich. Die zentralen Köpfe stehen für eine grundverschiedene Politik. Seehofer will Merkel im Wahlkampf unterstützen, nachdem er sie seit mehr als einem Jahr öffentlich angegriffen hat. Die Union wird es im Wahlkampf schwer haben, diesen Widerspruch zu erklären und anderen Parteien mangelnde Glaubwürdigkeit zu unterstellen.
Von einer Euphorie wie bei den Sozialdemokraten und von ihrem Wahlziel, mindestens 40 Prozent zu erreichen, können CDU und CSU zurzeit nur träumen. Sie wirken wie zwei Partner in einer abgenutzten Beziehung, die es nochmal versuchen, weil man nach so einer langen Zeit nicht einfach hinwirft und eine Trennung aufwendig wäre. Auf die Union angewendet, heißt das: Mit einem Bruch stiege eben das Risiko, dass die SPD im September wirklich stärkste Partei würde.
Der Scheinfrieden von München ist daher kein leidenschaftliches Aufbruchssignal eines unzertrennlichen Bundes. Im Wahljahr 2017 ist die Union ein fragiles Zweckbündnis, dessen einzige Ziele Wiederwahl und Machterhalt sind. "Der Sieg ist immer dort, wo Eintracht herrscht", das hat ausgerechnet CSU-Chef Seehofer am Wochenende gesagt. Die Probleme der Union wurden nicht gelöst, sondern auf unbestimmte Zeit verschoben. Wirklicher Frieden ist vermutlich erst möglich, wenn nicht mehr Seehofer und Merkel an der Spitze stehen.
Quelle: n-tv.de
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