Die Zukunft der „Roten Teufel“? Sechs belgische Top-Talente im Fokus

  15 April 2017    Gelesen: 651
Die Zukunft der „Roten Teufel“? Sechs belgische Top-Talente im Fokus
Belgiens Fußball erlebte in den zurückliegenden Jahren so etwas wie eine Renaissance der erfolgreichen 1970er und 80er Jahre, als die Nationalmannschaft Vize-Europameister wurde und bei der Weltmeisterschaft 1986 den vierten Platz belegte. Zwar wartet die derzeitige Nationalelf noch auf einen größeren Erfolg, zählt seit einiger Zeit aber zu den bestbesetzten Auswahl-Teams weltweit.
Maßgeblich verantwortlich für die positive Entwicklung der letzten Jahren ist insbesondere die gute Nachwuchsarbeit, die nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Heim-EM im Jahre 2000 komplett neu strukturiert wurde. Spieler wie Vincent Kompany, Kevin De Bruyne oder Romelu Lukaku schafften in den vergangenen Jahren zunächst den Sprung aus der Jugend in den belgischen Profifußball, wechselten später ins Ausland und reiften zu international anerkannten Topspielern. Andere wie Eden Hazard, Toby Alderweireld oder Yannick Carrasco wagten dagegen bereits als Jugendliche den Schritt in ein anderes Land und zählen heute ebenfalls zu den Top-Spielern auf ihren Positionen. Doch wie sieht die aktuelle Lage im belgischen Fußball-Nachwuchs aus? TM-User und Belgien-Experte „minga_ist_rot“ gibt einen Überblick:

Sportlich lief es zuletzt bei den U-Teams der „Roten Teufel“ weniger berauschend. Die U21, die U19 und die U17 verpassten allesamt die Qualifikation für die EM-Turniere im kommenden Sommer. Während für die U17-Auswahl nicht mehr drin war, sorgten doch vor allem die Niederlagen der U21 und zuletzt der U19 für große Tristesse. Die Gründe für das frühzeitige Ausscheiden sind vielfältig. Angefangen von der kaum vorhandenen Qualität in der Breite bis hin zur fehlenden Professionalität und Einstellung, die speziell von Trainern und Verbandsverantwortlichen nach dem bitteren Abschneiden der U21-Mannschaft im Herbst letzten Jahres stark kritisiert wurde. Aber trotzdem gibt es auch aktuell einige Talente, die zwar noch geschliffen werden müssen, deren Zukunft nach jetzigem Stand allerdings einiges erwarten lässt.

Zinho Vanheusden (17 Jahre, Inter Mailand)

Abwehrspieler Zinho Vanheusden (Foto) zählt sicherlich zu den größten Talenten des belgischen Fußballs. Im Sommer 2015 wechselte der Kapitän der „Goldenen 99er Generation“ Standard Lüttichs zu Inter Mailand, die bereit waren, für den damals gerade 16-Jährigen einen siebenstelligen Betrag nach Belgien zu überweisen. Trotz Interesse anderer europäischer Topvereine wie Paris Saint-Germain, Manchester United, Liverpool, Borussia Dortmund und Bayern München und einer letzten Charmeoffensive Standards entschied sich Vanheusden für die Nerazzurri und unterschrieb dort einen Vertrag bis 2019.

Neben den finanziellen Gründen war insbesondere Inters vorgelegter Karriereplan für den Youngster und seine Eltern von entscheidender Bedeutung, wie Vater Johan Vanheusden, einst selbst als Aktiver unterwegs, gegenüber „Het Laatste Nieuws“ bestätigte: „Sie folgten Zinho schon über ein Jahr und nach Gesprächen mit den dortigen Verantwortlichen waren wir der Überzeugung, dass dieser Schritt der Richtige für ihn ist. Der vorgelegte sportliche Plan ist genau das, was wir suchten.“

Während seiner ersten Saison in Italien spielte Vanheusden, der neben seiner bevorzugten Stammposition als Innenverteidiger auch auf der Sechser-Position eingesetzt werden kann, für die U17, trainierte aber regelmäßig bei der Primavera und durfte ab und zu auch bei den Profis reinschnuppern. Mittlerweile hat sich der 17-Jährige, dessen Stärken insbesondere in der Technik, einer guten Zweikampfführung, einer guten Physis, der Spieleröffnung und dank seiner Persönlichkeit auch in der Teamführung liegen, in Italien eingelebt. Auch sportlich habe er bereits einiges hinzugelernt, wie er gegenüber „Het Belang van Limburg“ schilderte: „Insbesondere auf taktischem Gebiet habe ich mich deutlich weiterentwickelt, zum Beispiel wie ich auf einer Linie verteidigen muss. In Belgien wusste ich nicht wie das funktioniert. Hier lernt man vor allem die Defensivarbeit, wann du rausgehen musst, wie du verteidigst, wo du dich positionieren musst und so weiter.“

Nächste Saison bereits im Profikader von Inter?

Auch Jatin Dietl, TM Area Manager Italien, ist von Vanheusdens Talent überzeugt: „Er gehört zu den absoluten Leistungsträgern und ist neben Angreifer Andrea Pinamonti das größte Talent dieser Generation bei Inter. Seine Chancen auf einen Kaderplatz in der ersten Mannschaft für die kommende Saison stehen recht gut. Unter dem ehemaligen Cheftrainer Frank de Boer wäre er eventuell schon jetzt ein Bestandteil dieses Teams."

Ob bei Inter oder doch bei einem anderen Klub: In der nächsten Saison dürfte Vanheusden sein Profidebüt feiern. Zuletzt machten Gerüchte die Runde, dass zahlreiche Vereine den Verteidiger ausleihen bzw. verpflichten möchten, darunter auch Anderlecht und KAA Gent aus seiner belgischen Heimat, doch schob Vanheusdens Vater dem Ganzen vorläufig einen Riegel vor. In „Het Belang van Limburg“ verdeutlichte er: „Zinho hat sich gut entwickelt bei Inter und fühlt sich ausgezeichnet. Ein Wechsel steht nicht auf der Tagesordnung und auch für eine Leihe ist es momentan noch viel zu früh.“

Bei gleichbleibender Entwicklung und Ausbleiben von größeren Verletzungen dürfte Vanheusden, der in Reals Sergio Ramos ein großes Vorbild sieht, in Zukunft recht gute Chancen auf eine große Karriere haben. Auch wenn sein Weg noch lang ist, die „Roten Teufel“ könnten mittelfristig von seinem Talent profitieren, da die aktuelle Besetzung in der Innenverteidigung altersbedingt sicherlich keine vier, fünf Jahre mehr auf allerhöchstem Niveau unterwegs sein wird.

Thibaud Verlinden (17 Jahre, Stoke City)

Neben Vanheusden verließ im Sommer 2015 ein weiteres hoch gehandeltes Talent aus dem 99er Jahrgang Standard Lüttich. Statt nach Italien wechselte Thibaud Verlinden allerdings zum Premier League-Verein Stoke City. Der 17-jährige Sohn einer Französin und des ehemaligen belgischen Nationaltorhüters und Brügge-Legende Dany Verlinden gehört zweifellos zu den größten Talenten des Landes und ist vor allem auf der offensiven Außenbahn zuhause.

Übersicht Neben Stoke waren auch Vereine wie der FC Liverpool, der FC Everton, RB Leipzig und der FC Chelsea an den Diensten Verlindens interessiert. Daher kam die Entscheidung für Stoke für viele etwas überraschend, wurde von seinem Vater in der TV-Sendung „De Zevende Dag“ aber wie folgt erklärt: „Wenn du weggehst von Standard, dann am besten zu einem Verein, in dem du in zwei, drei Jahren in der 1. Mannschaft spielen kannst und wo die Durchlässigkeit für junge Talente noch gegeben ist. Dass es unbedingt ein Topverein sein muss, ist nicht das Entscheidende, denke ich.“

Nach Testspielen mit der U18 schnell in U23 befördert

Seine ersten Wochen bei Stoke verbrachte Verlinden in der U18, doch wurde er relativ schnell eine Alterskategorie höher eingestuft wie er gegenüber „Het Laatste Nieuws“ erzählte: „Ziel war es, dass ich bei der U18 spielen sollte, doch nach ein paar Testspielen wurde ich schon in die U23 befördert und durfte zudem einige Male mit der 1. Mannschaft trainieren.“ Sein Berater ergänzte, dass Trainer Mark Hughes „enttäuscht sei, wenn er in dieser Saison nicht für die 1. Mannschaft spielen würde.“ In der Saison 2015/2016 machte der zu dem Zeitpunkt noch 16-jährige Verlinden schlussendlich kein Spiel für das Profiteam, doch in dieser Saison schaffte es das Talent zumindest zweimal auf die Bank, bevor er mit einer Rückenverletzung für mehrere Monate ausfiel.

Bei Stoke wird er vor allem durch die niederländisch sprechenden Spieler Marko Arnautovic und Ibrahim Afellay unterstützt, die ihm wertvolle Tipps geben, wie Verlinden gegenüber „voetbalnieuws.be“ berichtete. Sportlich, so Verlinden zu „La Dernière Heure“, habe er den Schritt von Belgien nach England bisher keinesfalls bereut: „In Belgien war es etwas zu einfach für mich. Es ist ein gutes Niveau, aber in England geht alles etwas schneller vonstatten. Es ist doch etwas schwerer. Ich habe aber keinerlei Zweifel daran, dass es richtig war Lüttich zu verlassen.“

Für den dribbel- und schussstarken, technisch sehr versierten und explosiven Angreifer, dessen Idol Eden Hazard ist, dürfte es voraussichtlich in diesem Kalenderjahr noch mit einem Einsatz in der 1. Mannschaft klappen. Stoke glaubt sehr stark an Verlindens Qualitäten und verlängerte daher auch im letzten Sommer seinen bis 2018 laufenden Vertrag zu deutlich besseren Konditionen.

Anaxis Dinsifwa (16 Jahre, Standard Lüttich)

Auch wenn Lüttich in den vergangenen Jahren mehrere Talente verließen, gibt es auch aktuell einen jungen Hoffnungsträger. Anaxis Dinsifwa, erst seit kurzem 16 Jahre alt und in der Offensive flexibel einsetzbar, hat sogar gute Chancen in der kommenden Saison sein Profidebüt zu feiern. Bei den Wallonen kommt der Youngster in der Jugend überwiegend auf der zehn zum Einsatz, während er in den belgischen U-Teams vor allem auf dem Flügel eingesetzt wird.

Anaxis, der als kompletter Spieler beschrieben wird und darüber hinaus für seine extrem gute Arbeitseinstellung bekannt ist, spielte in der Hinrunde bereits in Testspielen für die 1. Mannschaft und wurde im Winter ins Trainingslager mitgenommen. Trotz zahlreicher Interessenten aus dem In-und Ausland unterschrieb Anaxis vor wenigen Wochen seinen ersten Profivertrag bei Standard. Seit dem Winter ist das Talent in der Reserve der Lütticher am Ball und erzielte dort in seinen vier Kurzeinsätzen bereits einen Treffer.

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