Der Amtsantritt Donald Trumps als 45. Präsident der Vereinigten Staaten begann nicht mit wildem Feuerwerk, sondern mit einer Serie von Fehlzündungen. Wer sich nach dem 8. November um die liberale Weltordnung, die Zukunft der transatlantischen Verteidigungsallianz oder um andere Fallgruben für das Schicksal der Menschheit Sorgen machte, hatte mit diesem Szenario wohl nicht gerechnet. Das Weisse Haus gab nicht die Ouvertüre zum Weltuntergang, sondern fiel durch ungeduldige Hektik und groteske Rechthaberei auf.
Vor den USA hatten schon Italien und die Schweiz erfahren, dass erfolgreiche und wohlhabende Unternehmer zwar auch darin erfolgreich waren, politische Landschaften umzupflügen und eine Aufbruchstimmung zu schaffen, dass sie aber in der Regierungsverantwortung eine durchzogene Bilanz hinterliessen. Christoph Blocher orchestrierte mit dem jahrelang gewachsenen Schwung aus den Wahlen von 2003 die erste Abwahl eines Bundesrats in der modernen Schweiz. Dass er vier Jahre später selber zum Ziel eines solchen Manövers wurde, war kein Zufall. Er hatte sich schwergetan in der Exekutive, wo der lange Atem, der Kompromiss und das Schmieden von Koalitionen wichtiger sind als hohe kinetische Energie, unbändiger Gestaltungswille und Bauernschläue.
In Italien vertrieb Silvio Berlusconi zwar die alten Seilschaften der Democristiani und der Craxi-Sozialisten von den Futtertrögen. Doch dann geriet er immer stärker in den Verdacht, mit seiner Regierungstätigkeit vor allem sich und seinen Geschäftsinteressen zu dienen. Während er zusehends darum bemüht war, der Schlinge der Justiz zu entgehen, kümmerte er sich erst in zweiter Linie um das Land. Zum Schluss musste das Belpaese feststellen, dass Berlusconi den einst stolzen Pfeiler der europäischen Nachkriegsära in gefährliche Nähe zur Bedeutungslosigkeit pilotiert hatte.
Unternehmer, nicht Politiker
Ohne dass weitere Parallelen im persönlichen Charakter gezogen werden sollen – Donald Trump ist zweifellos aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Blocher und Berlusconi. Der Ruf des erfolgreichen und wohlhabenden Unternehmers hat wesentlich zu seiner Zugkraft als Präsidentschaftskandidat beigetragen. Da war plötzlich die Aussicht auf einen, der «sagt, wie es ist», der reich genug ist, dass er vor niemandem einen Bückling machen oder faule Kompromisse eingehen muss. Neben der tiefen Abneigung gegenüber seiner Rivalin und dem heuchlerischen System, für das Hillary Clinton stand, waren es diese Eigenschaften, welche ihn so verlockend machten. Sie waren für Trumps Wählerinnen und Wähler wichtiger als die ebenfalls unübersehbaren Schattenseiten, etwa das Prahlen, Lügen und Beleidigen. Seine totale Unerfahrenheit in politischen Prozessen war für sie kein Nachteil, sondern im Gegenteil das herausragende Verkaufsargument.
Nun, da das Ende der symbolischen Frist der ersten hundert Tage im Amt in Griffweite ist, fühlen sich die Kritiker bestätigt. Dabei unterschätzen sie, wie wichtig es gerade für skeptische Trump-Wähler war, die Nominierung eines konservativen Richters zu sichern, damit der Supreme Court nicht nach links kippen würde. Tatsache ist aber auch, dass es das Weisse Haus nicht schaffte, auch nur ein einziges Vorhaben von Gewicht in die Mühlen des Kongresses einzuspeisen. Der bisher einzige Versuch dazu, die Rückabwicklung von Obamacare und der Baubeginn für eine eigene Gesundheitsreform, scheiterte an alten Widersprüchen in der Republikanischen Partei. Der Immobilienmogul, der sein Verhandlungsgeschick als Kunstform besingen liess, vermochte seine eigene Partei nicht hinter den Reformplan zu scharen. Die ganze Sache schien ihn dann doch nicht genug zu interessieren, um sich wirklich in die Thematik hineinzuknien. Das Problem war natürlich, dass sein Versprechen – die Krankenversicherung sollte nach seiner Reform besser und billiger werden – nicht haltbar ist.
Opposition als Programm
Auch wenn das Thema Gesundheitsreform damit noch nicht vom Tisch ist, hat die Episode eine grundlegende Schwäche des Präsidenten offengelegt: den Mangel an politischer Überzeugung. Es gibt kaum ein Thema, bei dem Trump im Lauf der letzten zehn Jahre nicht die Meinung geändert hätte. Sein Programm war in erster Linie Opposition, zuerst zu den republikanischen Konkurrenten, dann zur Demokratin Clinton. Doch nun ist Trump an der Macht, und die Tatsache, dass er dem Ausarbeiten von durchdachten Plänen immer ausgewichen war, rächt sich. Seine Rhetorik des starken Mannes kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er oft wankelmütig wirkt, seine Meinung dem anpasst, was ihn jeweils gerade überzeugt. Wenn die jüngsten Wochen darauf hindeuteten, dass er vermehrt auf die verantwortungsvollen und vernünftigeren Kreise im Weissen Haus hört, so ist das zwar eine Erleichterung. Doch daraus den Schluss zu ziehen, er habe einen strategischen Richtungswechsel vollzogen, wäre falsch. Trump traut vor allem seinem eigenen Instinkt, der ihn erfolgreich machte. Mit ihm im Pilotensitz fliegt die Weltmacht USA auf Sicht. Und das Wetter kann schnell ändern.
Was heisst das nun für den Rest der Präsidentschaft Trump? Dürfen sich die Skeptiker, die ja immer wussten, dass aus diesem Wahlsieg nichts Gutes würde entstehen können, zufrieden zurücklehnen? Die Versuchung ist gross, das amateurhafte Vorprellen bei den Einreisestopps und die mangelhafte Vorbereitung der Gesundheitsreform zum Massstab zu nehmen und bereits ein Urteil zu sprechen. Doch dies wäre unklug. Zwar ist das Zeitfenster für ein politisch heikles Gesetzgebungsprojekt in Washington selbst nach einem Wahltriumph wie jenem der Republikaner im letzten November klein. Spätestens im Sommer des nächsten Jahres werden die Zwischenwahlen für den Kongress ihre Schatten vorauswerfen. Diesen beschränkten Zeitrahmen müssen Trump und die Republikaner nutzen. Dazu braucht es Kommissionssitzungen, Anhörungen mit Experten, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Dies ist die Mechanik der Gesetzgebung. Auch wenn Trump es gewohnt ist, mit einem Federstrich im Chefbüro Entscheide zu fällen; so läuft das in Washington nicht. Hier müssen Mehrheiten geschmiedet werden, und zwar sogar in der eigenen Partei, auch wenn das Quereinsteigern zunächst paradox vorkommen mag.
Der Manhattan-Clan
Dass das Weisse Haus unter Trump mit seinen vielen Aussenseitern Mühe hat, diese Sprache der Gesetzgebung zu erlernen, sollte niemanden überraschen. Anfängliche Fehler waren gleichsam programmiert. Mit dem nötigen Willen zur Disziplin können sie korrigiert werden. Die Voraussetzung dazu ist allerdings, dass es in Trumps Umfeld Figuren von Statur gibt, die sich trauen, dem Chef auch unbequeme Wahrheiten zu eröffnen, und die trotzdem – oder besser noch: genau deswegen – ein offenes Ohr finden und seinen Respekt geniessen.
Die jüngsten Nachrichten aus dem Weissen Haus dazu sind widersprüchlich. Einerseits scheinen die Ideologen im Stil eines Stephen Bannon an Einfluss zu verlieren, was nur zuversichtlich stimmen kann. Anderseits haben sich im engsten Kreis der wichtigsten Berater des Präsidenten nun auch formell zwei Personen etabliert, die keinerlei andere Qualifikationen haben als jene, Tochter beziehungsweise Schwiegersohn des Chefs zu sein. Zweifellos gehören sie zu jenen, denen es am ehesten gelingt, zum dünnhäutigen Präsidenten mit Vor- oder Ratschlägen durchzudringen. Doch es ist keineswegs gesichert, dass sie, die im Wesentlichen im Windschatten des Baulöwen gross wurden, auch die nötige Zivilcourage und den strategischen Weitblick haben, um unbequeme Wahrheiten zu erkennen, die es dem Präsidenten zu vermitteln gälte. Ob die Präsidentschaft Trump als Treppenwitz oder als Erfolgsgeschichte in die Annalen eingeht, könnte sich an genau dieser Frage entscheiden.
Quelle: nzz
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