Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rettete die italienische Küstenwache allein von Karfreitag bis Ostersonntag fast 8400 Menschen aus dem Mittelmeer. Elf Schiffe waren im Dauereinsatz. Es war möglicherweise nur ein Vorgeschmack auf das, was im Sommer droht. Denn seit Jahresanfang sind laut IOM bereits 36.703 Migranten in Italien angekommen - 45 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Insgesamt kamen 2016 etwa 181.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa. Wie groß der Zustrom aus Afrika in diesem Jahr werden wird, sei schwierig vorherzusagen, sagt eine Sprecherin der EU-Grenzschutzagentur Frontex. "Aber wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Zahlen ähnlich hoch oder vielleicht noch etwas höher sein werden als im vergangenen Jahr."
Mehr Geld für mehr Zusammenarbeit
Seit Anfang 2015 kamen insgesamt rund 339.000 Menschen über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa, wie die IOM am Freitag berichtete. "220.000 davon stammten aus Nigeria und Eritrea", sagt Sprecher Joel Millman. Das zeige zum einen, dass sich keineswegs ganz Afrika auf den Weg nach Europa mache, so wie es oft behauptet werde. Und es zeige auch, dass man die Migration effektiv bekämpfen könnte, wenn man die Probleme in wenigen Ländern gezielt angehe.
Die EU versucht das bereits seit Längerem. Durch ein "abgestimmtes und maßgeschneidertes Engagement" der EU-Staaten sollen "Migrationspakete" entstehen, zunächst mit Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien. Sie seien die "Schwerpunktländer" im Bereich der Bekämpfung von Migrationsursachen, heißt es in einem internen Dokument des Bundestags vom Freitag.
"Eine Verschärfung der Grenzkontrollen kann nicht alles sein", sagt Günter Nooke, Afrika-Beauftragter von Kanzlerin Angela Merkel, der diese Woche in Äthiopien mit Vertretern der Afrikanischen Union verhandelt hat. "Wir versuchen, dabei zu helfen, den Menschen Perspektiven und Arbeitsplätze in Afrika zu bieten." Gespräche etwa mit der Regierung Eritreas seien zuletzt jedoch schwierig verlaufen. Die Bundesregierung knüpft die Zahlung von Geldern deshalb inzwischen zunehmend an bessere Zusammenarbeit bei der Migration. "Wir wollen mehr tun", sagte Nooke, "aber wir erwarten auch mehr."
Migrantenzahlen in Niger stark gesunken
Etwas besser als in Eritrea und Äthiopien, zwischen denen es immer wieder zu bewaffneten Konflikten kommt, scheint sich die Lage in Westafrika zu entwickeln. So ist die Zahl der Migranten, die über Niger nach Libyen kommen, nach Angaben der IOM zuletzt stark gesunken. Im Januar und Februar seien nur 8700 Menschen durch die Oase Séguédine im Osten Nigers gekommen. Zwischen Februar und Dezember 2016 seien es noch rund 292.000 gewesen. Auch in der Regionalhauptstadt Agadez, wo Schleuser Migranten für die Reise durch die Sahara anwerben, sind die Zahlen laut IOM gesunken.
Giuseppe Loprete, Chef der IOM-Mission in Niger, führt das auf ein härteres Vorgehen der Regierung gegen Schmuggler zurück. Möglicherweise ist das ein erster Erfolg der EU-Politik. So hatte Merkel Niger im Oktober 2016 millionenschwere Unterstützung im Kampf gegen Schleuser zugesagt. Vor wenigen Tagen versprach Italien, dem Land 50 Millionen Euro für einen besseren Grenzschutz zu überweisen.
Der Rückgang der Migration aus Niger bedeute aber noch nicht, dass sich in diesem Jahr auch weniger Migranten von Libyen aus auf den Weg nach Europa machen würden, betonte IOM-Manager Federico Soda. Nach Schätzungen seiner Organisation halten sich noch immer bis zu eine Million Migranten in Libyen auf. Zwar hätten längst nicht alle von ihnen vor, nach Europa zu kommen. Doch diejenigen aufzuhalten, die es versuchen wollen, dürfte schwierig genug werden.
Denn die Lage im vom Bürgerkrieg zerrütteten Libyen ist nach wie vor chaotisch. Die von der EU und den Vereinten Nationen anerkannte Einheitsregierung unter Ministerpräsident Fayiz Sarraj verfüge nur über einen "sehr eingeschränkten Einflussbereich", schreiben die Fachleute des Bundestags in ihrem aktuellen Papier. Der von Russland und Ägypten unterstützte General Khalifa Haftar dehne seinen Einflussbereich dagegen mithilfe seiner Armee aus.
Die geplante Ausweitung der EU-Grenzschutzmission Eubam sei dadurch ebenso "infrage gestellt" wie der Plan, die Marineschiffe der Mission Sophia künftig auch in libyschen Hoheitsgewässern gegen Schleuser operieren zu lassen. Derzeit dürfen die EU-Einheiten nur in internationalen Gewässern operieren. Zwar soll Libyen eines Tages wieder selbst die Seenotrettung in seinen Gewässern übernehmen. Doch der dazu notwendige Aufbau der libyschen Küstenwache, schreiben die Bundestagsfachleute, sei ein Langfrist-Projekt.
Quelle : spiegel.de
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