Gabriel entdeckt Amerika neu

  17 Auqust 2017    Gelesen: 614
Gabriel  entdeckt Amerika neu
Hat es das jemals gegeben? Der deutsche Außenminister ruft in Peking an und macht deutlich: Wir sind auf eurer Seite – und sagt das auch den Russen. Der Sputnik-Kolumnist Michail Scheinkman kommentiert.
Schockiert sei die ganze Welt darüber, wie unberechenbar die US-Politik geworden sei. „Der US-Präsident bedient sich einer unfassbar kriegerischen Rhetorik. Es ist schwer nachzuvollziehen, wer das Sagen hat.“

Wüsste man nicht, von wem diese Erklärung ist, könnte man sie glatt dem russischen Außenministerium zuschreiben. In der Tat stammt diese Aussage von einem Außenminister. Nur nicht von dem russischen, sondern von dem deutschen – von Sigmar Gabriel.

Zwar sehen Skeptiker in Sigmar Gabriel lieber einen SPD-Politiker mitten im Wahlkampf als einen Außenminister und Vize-Kanzler – nach dem Motto: Gabriel mache jetzt halt wegen der Bundestagswahl einen auf entschlossenen Trump-Gegner. Wenn aber Worte wirklich etwas bewirken können, dann ist es doch besser, man spricht für den Frieden und nicht für den Krieg.

Genau das hat Gabriel getan: Trump bediene sich „einer unfassbar kriegerischen Rhetorik“ gegenüber Nordkorea, wetterte er. Im gleichen Atemzug zweifelte er, ob es denn wirklich Trumps Rhetorik sei. Denn es gebe ja den US-amerikanischen Verteidigungsminister, der „bei Nordkorea sehr realistische Einschätzungen“ habe. Und wenn Mattis ein militärisches Eingreifen der USA auf der Koreanischen Halbinsel für falsch halte, dann gebe es in Trumps Umgebung offenbar Leute, die „die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren eintauschen“ wollten.

Ferner warnte der deutsche Außenminister Washington vor weiteren Zuspitzungen: „Jetzt ist die Stunde der Diplomatie und nicht des Kriegsgeschreis“, sagte er im Interview mit deutschen Zeitungen. Es ist also Gabriels Stunde.

Der deutsche Außenminister rief dann auch, nachdem er Washington ermahnt hatte, Peking an: Berlin verstehe und unterstützte den Plan des doppelten Einfrierens, den China und Russland ausgearbeitet hätten. Im Kern heißt das: Washington und Pjöngjang sollen zur Vernunft kommen, Berlin ist jedenfalls auf Pekings und Moskaus Seite. Wann hat es das schon mal gegeben?

Noch stärker wäre es wohl, hätte Gabriel den Abzug des US-Militärs von den Stützpunkten in Deutschland gefordert. Da hätte sich der Außenminister mal wirklich von der „Unterwerfung“ der Bundeskanzlerin „unter Trumpsche Aufrüstungspolitik“ abgegrenzt.

Hätte Gabriel die US-Amerikaner gegen sich, sie hätten ihm längst Russland-Connections angelastet. Und die Bekanntschaft mit Gerhard Schröder gleich mitangehängt. Soweit wie dieser geht Sigmar Gabriel nicht – Schröder ist ja der Einladung in den Verwaltungsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft gefolgt. Zu erkennen aber, dass US-Absichten für deutsche Interessen der Tod sein können, ist für einen deutschen Außenminister so etwas wie eine Neuentdeckung Amerikas.

Die Aufregung um Nordkorea wird sich früher oder später legen. Kim Jong-un will jedenfalls erst einmal das Verhalten der Amis beobachten, bevor er sich zu Schlüssen und Schüssen entschließt. Überheblich ist dessen Erklärung allemal, aber immerhin nicht mehr so kategorisch. Gabriels Zweifel an Washingtons Vernunft bleiben aber auch über die Causa Nordkorea hinaus bestehen. Die Zweifel sind nämlich angebracht, solange es Trump gibt.

Schade nur, dass das Buch mit den Tweets von Trump schon erschienen ist. Zu dessen Titelbild vom US-Präsidenten als Baby auf einem Thron hätte Gabriel nämlich passend fragen können: „Und? Wer hat hier das Sagen?“.

Aber vielleicht gibt es ja bald einen zweiten Band. Denn eine andere Waffe als Tweets hat der Herr des Weißen Hauses offenbar nicht in der Hand.

Quelle:sputnik.de

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