Ob Mondflug oder Marsmission: Von dem hochmodernen Kosmodrom nahe der chinesischen Grenze greift Moskau nach den Sternen. Als Partner steht Europa oben auf der Liste. Geht es nach der Führung in Moskau, soll das Jahrhundertprojekt am Amur-Fluss für einen technischen Aufbruch stehen. Von hier aus will die Raumfahrtgroßmacht erstmals einen Kosmonauten zum Mond schicken, später soll eine bemannte Marsmission folgen. Wostotschny sei "das Schaufenster für ein modernes Russland", meint Regierungschef Dmitri Medwedew. Es gehe um ein Prestigeprojekt, das das Ansehen des Riesenreichs international aufwerte.
Kriminelle Machenschaften in Wostotschny haben das Image zuletzt angekratzt. So beklagt der Rechnungshof in Moskau, dass auf der Baustelle rund 8000 Kilometer östlich der Hauptstadt Staatsgelder in Millionenhöhe unauffindbar seien. Drei frühere Bauleiter sitzen wegen des Verdachts auf Unterschlagung in Haft. Immer wieder kommt es wegen ausstehender Löhne zu Streiks.
Baustelle ächzt unter Wirtschaftskrise
Um das Kosmodrom pünktlich fertigzustellen, würden Tausende Fachkräfte fehlen, meinen Experten. Nach einer Verschiebung der ersten Starts von Dezember auf April ist auch der Kreml nervös. Putin wirft dem für Raumfahrt zuständigen Vizeregierungschef Dmitri Rogosin vor, ihn unvollständig über die Probleme zu informieren. "Wir brauchen Qualitätsarbeit und keine überoptimistischen Berichte", beklagt der Präsident bei einem Besuch der Baustelle.
An den Problemen ist die Wirtschaftskrise nicht unschuldig. Russlands Konjunktur ächzt unter dem niedrigen Ölpreis und den westlichen Sanktionen im Ukraine-Konflikt. Trotzdem versprüht die Staatsspitze Euphorie. Wostotschny erlaube völlige Eigenständigkeit, betont Putin.
Mit dem neuen Kosmodrom will sich die Raumfahrtnation vor allem unabhängig machen vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Russland hat das dortige Areal nur gepachtet und zahlt der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik jährlich 115 Millionen US-Dollar. Mehr als ein Drittel aller Raumflüge weltweit hob 2015 von Baikonur ab. Russland verdient viel Geld mit Satellitenstarts und mit Reisen zur Internationalen Raumstation ISS. Seit die USA ihre Space Shuttles 2011 einmotteten, müssen US-Astronauten für viel Geld in russischen Sojus-Kapseln zum Außenposten der Menschheit fliegen.
36 Milliarden Euro für die Raumfahrt
In der unbemannten Raumfahrt blickt Russland hingegen auf ein durchwachsenes Jahr zurück. Schmerzlich ist vor allem der Verlust eines Frachters im Mai. Was als Routinemission geplant war, wurde zur Millionenpanne. Der tonnenschwere Transporter Progress M-27M kreiste in einer falschen Umlaufbahn um die Erde, statt Nachschub zur ISS zu bringen, und verglühte schließlich in der Erdatmosphäre.
Eine Grundsatzdiskussion über sein Raumfahrtprogramm will Russland aber nicht aufkommen lassen. Es geht auch um viel Geld. Dutzende Satelliten will die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos im kommenden Jahr ins All schicken und so auf diesem umkämpften Markt Millionen einnehmen. Bei seinem Amtsantritt Anfang 2015 hat Roskosmos-Chef Igor Komarow angekündigt, mit Flügen ins All wieder mehr Geld verdienen zu wollen. Bilder eines abstürzenden Frachters sind da nicht förderlich.
Mit 36 Milliarden Euro an Staatsmitteln soll Komarow die russische Raumfahrt in den nächsten zehn Jahren für die Zukunft fit machen. So will Moskau 2016 auch das international mit Spannung erwartete Nachfolgemodell für die Sojus-Raumkapseln vorstellen, mit sechs statt drei Plätzen. Daneben verfolgt Roskosmos mit seinem westeuropäischen Partner, der Raumfahrtagentur Esa, einen ehrgeizigen Plan: Beide wollen im kommenden Jahr gemeinsam eine um den Mars kreisende Sonde starten, um die Atmosphäre des Roten Planeten zu untersuchen.
Die Zusammenarbeit soll trotz der politischen Ost-West-Krise noch weiter gehen: In fünf Jahren wollen Roskosmos und Esa auf dem Mond nach Wasser suchen. Dies wäre eine Voraussetzung für eine ständige bewohnte Basis. Europas Raumfahrtchef Jan Wörner sieht die Kooperation positiv. "Die jüngere Generation lechzt nach einer großen, globalen Kooperation", sagt der Esa-Generaldirektor.
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