Länger als sechs Jahre hat der Krieg gedauert, mehr als 300.000 Menschen sind gestorben, knapp zwölf Millionen auf der Flucht, die Hälfte davon innerhalb der syrischen Grenzen. Es wurden Giftgase eingesetzt, Verbrechen begangen, Menschen gefoltert, Zivilisten als Schutzschilde missbraucht. Große Teile des Landes sind vermint, viele Orte und Städte zerstört. Und nun? Assad wird einstweilen unbehelligt bleiben, der Iran konnte mit Hilfe Russlands sein Einflussgebiet weiter ausdehnen, der Westen wurde blamiert. Um all das zu ertragen, bedarf es einer gehörigen Portion zynischen Realismus’.
Die Faust ballt sich vor Wut in der Tasche
Doch auch, wenn sich die Faust vor Wut in der Tasche ballt: Seit der Intervention Russlands und des Iran zur Konsolidierung von Assads Macht nähert sich der Krieg seinem Ende. Anfang des Jahres kontrollierten syrische Truppen 19 Prozent des Landes, inzwischen sind es mehr als die Hälfte, darunter die vier größten Städte, den Zugang zum Mittelmeer, zehn von 14 Provinzhauptstädten sowie 85 Prozent der Bevölkerung.
Der IS wurde besiegt, das Gebiet der letzten verbliebenen Rebellen schrumpft stetig, laut UNHCR sind allein in diesem Jahr 500.000 Flüchtlinge – 440.000 innerterritoriale und 31.000 von außerhalb Syriens – in ihre Wohnorte zurückgekehrt. Die Bedingungen für eine sichere Heimkehr der Flüchtlinge seien zwar noch nicht im ausreichenden Maße vorhanden, der Trend aber sei „bemerkenswert“, sagt der UNHCR.
Zum Wandel beigetragen hat – auch das ist bitter – das Elend der mehr als fünf Millionen Flüchtlinge, die in der Türkei, dem Libanon, Jordanien, Ägypten und dem Irak zum größten Teil in Lagern hausen. Deren Schicksal ließ bei den Machthabern dieser Länder die Erkenntnis reifen, dass eine anhaltende Gewalt auch negative Konsequenzen für ihre eigene Bevölkerung hat.
Der Krieg in Syrien ist entschieden. Assad, Wladimir Putin und Hassan Ruhani haben gewonnen. Weil sich die Uhren nicht zurückdrehen lassen, geht es jetzt vor allem um den Wiederaufbau. Manchmal bleibt vom Wunsch nach Gerechtigkeit nur das - der Wunsch.
Quelle : tagesspiegel.de
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