Trump soll Mini-Atomwaffen bekommen

  17 Januar 2018    Gelesen: 1626
Trump soll Mini-Atomwaffen bekommen
Die USA wollen Russland abschrecken - mit kleinformatigen Nuklearwaffen. Das sieht ein Entwurf der neuen amerikanischen Atomwaffendoktrin vor. Kritiker fürchten, dass ein Krieg wahrscheinlicher wird.
Mal wieder typisch, dachten viele in Europa und vor allem in Deutschland: Jetzt will der US-Präsident auch noch neue Atomwaffen entwickeln lassen, und das obendrein mit dem Ziel, sie leichter einsetzen zu können. Gemeint ist George W. Bush, der sich 2005 sogenannte Mini-Nukes zulegen wollte. Doch er scheiterte am Widerstand des Parlaments. Sowohl Abgeordnete als auch die Fachwelt befürchteten, dass die neuen Bomben die Hemmschwelle für einen Atomschlag senken könnten.

Jetzt unternehmen Washingtons nukleare Hardliner den nächsten Anlauf, wie aus einem jüngst bekannt gewordenen Entwurf der neuen US-Atomwaffendoktrin hervorgeht - und diesmal könnten sie erfolgreich sein. Denn im Weißen Haus sitzt jetzt mit Donald Trump ein bekennender Freund von Atomwaffen. Und das Parlament 2018 ist nicht gerade dafür bekannt, sich dem Willen des Präsidenten zu widersetzen.

Der letzte "Nuclear Posture Review" (NPR) entstand 2010, kurz nach der berühmten Prager Rede von Trumps Vorgänger Barack Obama, in der er die Vision einer atomwaffenfreien Welt entwarf. Davon aber kann im Entwurf der neuen Nukleardoktrin, den die "Huffington Post" zuerst veröffentlicht hat, keine Rede mehr sein. Seine Kernthesen:

Die globale Bedrohungslage habe sich "dramatisch verschlechtert". Russland und China hätten sich neue Atomwaffen zugelegt, deren Bedeutung in ihren Strategien erhöht und agierten zugleich immer aggressiver. Nordkorea sei dabei, sich ein nukleares Arsenal zuzulegen, und Iran könnte binnen eines Jahres das gleiche tun, sollte das Regime in Teheran den Atomvertrag mit dem Westen brechen.

Die nukleare Abschreckung der USA weist eine Lücke auf: Gegner könnten sich ermutigt sehen, begrenzte Schläge mit kleinformatigen Atomwaffen durchzuführen, weil die USA keine genau passende Antwort parat hätten und deshalb vor einem verheerenden Gegenschlag zurückschrecken könnten.
Deshalb brauche man statt eines "Einheitsgrößen-Ansatzes" eine "flexible, maßgeschneiderte Nuklearstrategie" mit "vielfältigen Fähigkeiten", darunter neue taktische Atomwaffen.

Seit April arbeitet ein Team unterschiedlicher Autoren an der Doktrin, die im Februar veröffentlicht werden soll. Experten gehen davon aus, dass der jetzt bekannt gewordene Entwurf weitgehend der finalen Version entspricht. "Es wird keine bedeutenden Änderungen mehr geben", sagt Hans Kristensen von der Federation of American Scientists. "Alle Vier-Sterne-Generäle haben den Entwurf abgezeichnet, und er hat wahrscheinlich auch den Segen des Verteidigungsministeriums."

Die angeblich größte Bedrohung? Russland

Für die größte Bedrohung halten die Autoren des Entwurfs offenbar Russland. Im Kreml herrsche der Glaube, dass ein "begrenzter nuklearer Erstschlag" mit Waffen geringerer Sprengkraft einen Vorteil in einer Krise bieten könnte - weil die USA zögern würden, mit ihren deutlich stärkeren Waffen zurückschlagen. Es sei wichtig, "solche Fehlwahrnehmungen zu korrigieren", heißt es im Entwurf.

Unabhängige Experten halten das für wenig überzeugend. "Die USA würden sich quasi selbst abschrecken, weil sie nicht exakt dieselben Waffen haben wie Russland? Das ist reine Fantasie", meint Kristensen. Es gebe zudem keinerlei Beweise, dass die russische Regierung überhaupt so denke, wie es die Autoren behaupteten.

Ebenso ins Reich der Fantasie gehöre die Aussage, die USA verfügten über zu wenig Atomwaffen geringerer Sprengkraft. Zwar gibt es keine fest definierte Grenze zwischen den kleineren taktischen Atomwaffen, die üblicherweise über Stärken von weniger als einer Kilotonne TNT bis hin zu Dutzenden Kilotonnen verfügen, und strategischen Waffen, die bis in den Megatonnen-Bereich reichen können. Kristensen aber hat errechnet, dass die US-Streitkräfte allein mehr als 1000 Waffen mit weniger als 20 Kilotonnen besitzen.

"Das ist ein Viertel des gesamten US-Arsenals", sagt Kristensen. Dass die USA sich erst noch eine "flexible" Nuklearstreitmacht zulegen müssten, sei Unsinn. Ähnlich äußert sich Alexandra Bell, frühere Beraterin um US-Außenministerium und jetzt beim Thinktank Center for Arms Control and Non-Proliferation. Das aktuelle US-Arsenal reiche aus, um die Welt viele Male hintereinander zu zerstören, sagte sie der "Huffington Post". "Deshalb kann man nicht gerade behaupten, dass der Präsident noch mehr von diesen Fähigkeiten benötigt."

Rückkehr der USA zu Atomwaffentests möglich
Unterstützung bekommt sie ausgerechnet von John Hyten, Chef des Strategic Command und damit Oberbefehlshaber der US-Atomstreitmacht. Als er seinen Job angetreten habe, sei er überrascht gewesen über die "flexiblen Optionen, die überall in den Plänen sind", sagte der Vier-Sterne-General im März 2017 bei einer Anhörung im US-Kongress. "Wenn etwas Schlechtes in der Welt passiert", erklärte Hyten, stünde alles "von konventionellen Waffen bis hin zur großen Atomwaffe" bereit. Das sei vor 20 Jahren noch ganz anders gewesen.

Was im NPR-Entwurf dagegen nur am Rande vorkommt, sind Diplomatie und nukleare Abrüstung, zu der die USA als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags eigentlich verpflichtet sind. Man sei zwar offen für neue Verhandlungen, heißt es - aber nur, wenn sie "die Sicherheit der USA, ihrer Verbündeten und Partner stärken". Noch vager ist der NPR-Entwurf im Bezug auf Atomwaffentests, die laut dem Kernwaffenteststopp-Vertrag verboten sind: Eine Rückkehr der USA zu den Tests sei möglich, sofern dies "notwendig ist, um die Sicherheit und Effektivität des US-Atomwaffenarsenals zu gewährleisten".

sputniknews.com

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