Sowohl die türkischen als auch Streitkräfte der kurdischen YPG würden im syrischen Afrin mit deutschen Waffen kämpfen, erklärt ein Abrüstungsexperte gegenüber Sputnik. Die Bundesregierung möchte den Informationen von Spiegel-Online zufolge die geplante Aufrüstung der türkischen Leopard-Panzer nun doch stoppen.
Die türkischen Streitkräfte sollen bei ihrer Boden-Offensive gegen die Kurden-Milizen in der nordsyrischen Region Afrin auch deutsche Panzer einsetzen. Das wollte das Bundesverteidigungsministerium zunächst nicht bestätigen. Die Rede ist von Panzern vom Typ Leopard 2 A4, die von Rheinmetall AG und Kraus-Maffai Wegmann GmbH & CO. KG produziert werden. Über 350 Stück wurden allein von 2006 bis 2014 in die Türkei geliefert, erklärte ein Sprecher des Ministeriums, Holger Neumann, bei einer Pressekonferenz am Montag.
„Ich würde der Bundesregierung unter Frau Merkel und Herrn Gabriel empfehlen, einfach mal Fernsehen zu schauen, weil die Tagesschau und die Tagesthemen diese Bilder um die Welt geschickt haben, wonach Leopard 2 Panzer der Version A4 bei Intervention in Afrin sichtbar waren“, erklärt Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“
„Völlig absurd“: Deutsche Waffen treffen auf deutsche Waffen
Das Fatale daran sei, dass die Vorgängerregierung offensichtlich keinerlei Auflagen für den Einsatz dieser Panzer gemacht habe, erklärt der Abrüstungsexperte Grässlin:
„Auch nicht gemäß dem Nato-Vertrag Artikel 5. Und damit dürfen die Panzer de jure die Grenze überschreiten. Was ein Desaster für die deutsche Rüstungsexportpolitik ist.“
Als „völlig absurde Situation“ bezeichnet Grässlin die momentane Situation in Nordsyrien: „Hier kämpfen mit westlichen Waffen ausgerüstete Streitkräfte nicht gegen Streitkräfte mit russischen Waffen. Nein, hier kämpfen Streitkräfte seitens der türkischen Armee, seitens Rebelleneinheiten, seitens der kurdischen Streitkräfte allesamt mit deutschen Waffen.“
Die Konflikparteien seien allesamt mit Waffen von „Heckler & Koch“ und anderen deutschen Herstellern ausgestattet. Dieser Krieg sei wunderbar für die deutsche Industrie, unterstreicht der Experte. „Denn sowohl die türkische Seite als auch die kurdische Seite setzt deutsche Waffen ein und wird diese dann nachbestellen, wenn sie verbraucht und verschlissen sind.“
Wie gelangten deutsche Waffen an die YPG?
Seit 2014 liefert die Bundeswehr Waffen an die irakische Zentralregierung, die dann weiter an die kurdischen Peschmerga im Nordirak gegeben werden. Diese sollten nur für den Kampf gegen die islamistische Terrormiliz IS eingesetzt werden. Recherchen von NDR und WDR zeigten aber in der Vergangenheit, dass Waffen aus Bundeswehrbeständen auf Waffenmärkten verkauft werden und so auch in die Hände des sogenannten Islamischen Staats gelangten. Das bestätigte auch Grässlin gegenüber Sputnik. Deutsche Waffen, die an die Peschmerga geliefert wurden, seien auf den Schwarzmärkten in Erbil und Kirkuk verkauft worden.
„Der Kontakt zwischen den YPG und den Peschmerga-Kämpfern ist eng. Sodass es nicht sonderlich verwundert, dass die Bundeswehrwaffen nun auch in den Händen von weiteren kurdischen Einheiten in Syrien sind. Sie landen auch in den Händen von Terroristen des IS, so dass die Kriegsregion Naher und Mittlerer Osten überflutet ist mit deutschen Waffen und alle Konfliktparteien mit deutschen Waffen kämpfen.“
Die Forderungen der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ ist eindeutig: „Es dürfen keinerlei Kriegswaffen an menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten geliefert werden. Und das Grundgesetz Artikel 26 Abs. 2 muss um den Satz: ‚Der Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern ist grundsätzlich verboten‘ ergänzt werden.“
Deutsche Rüstungsexporte und der Aufrüstungsstopp
Die Waffenexporte unter der Großen Koalition von Angela Merkel und Sigmar Gabriel sei gegenüber der schwarzgelben Koalition um 21 Prozent gestiegen, erklärt Grässlin: „Der jetzige Wert liegt bei 24,9 Milliarden Euro an Genehmigungen. Es ist der höchste Wert aller Zeiten. Ein Rekordwert.“
Aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der stellvertretenden Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen geht hervor, dass die Bundesregierung trotz der Spannungen in den deutsch-türkischen Beziehungen im vergangenen Jahr Rüstungsexporte im Wert von 34,2 Millionen Euro in die Türkei genehmigt hat. Im Vergleich zu den 83,9 Millionen Euro 2016 hat sich der Umfang der Genehmigungen deutlich reduziert. Im gesamten Jahr ging demnach die Zahl der Einzelgenehmigungen von 213 auf 138 zurück.
Als Reaktion auf die Boden-Offensive der türkischen Armee in Afrin wird Berlin die geplante Aufrüstung der türkischen Leopard-Panzer stoppen, berichtet Spiegel-Online. Ob die Aufrüstung in Zukunft möglich sein wird, darüber wolle die geschäftsführende Bundesregierung wegen der Militäroperation in Afrin keine Entscheidungen treffen, schreibt das Blatt unter Berufung auf eigene Quellen.
Quelle : sputnik.de
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