Stephansplatz: Die rätselhafte unterirdische Kapelle

  11 Dezember 2015    Gelesen: 701
Stephansplatz: Die rätselhafte unterirdische Kapelle
Die Virgilkapelle unter dem Stephansplatz ist seit 2008 wieder erstmals öffentlich zugänglich - inklusive eines Museums des Mittelalters. Dieses Wochenende bei freiem Eintritt.
Wien. In den vergangenen Jahren konnte man sie nur durch ein Glasfenster bei der U-Bahn-Station Stephansplatz besichtigen. Ab morgen, Samstag, ist die unterirdische Virgilkapelle unter dem Stephansplatz wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. „Ich bin wirklich, wirklich glücklich, diese großartige Attraktion der Stadt wieder zugänglich zu machen“, sagt Matti Bunzl, Direktor des Wien-Museums (zu dem die Virgilkapelle gehört), gestern, Donnerstag, bei einem Pressegespräch.

Immerhin ging der Wiedereröffnung der ungewöhnlichen Kapelle eine siebenjährige Schließung voraus, in der in erster Linie an einer Klimaanlage gearbeitet wurde. Diese nämlich macht es möglich, den unterirdischen Bau vor dem Verfall zu retten. Durch jeden Starkregen seien die Wände beschädigt worden, da Salze ins Erdreich eingedrungen sind, die den Verputz beschädigten, erklärt die zuständige Kuratorin, Michaela Kronberger. Ein Wasserrohrbruch am Stephansplatz im Jahr 2008 habe gar zur Schimmelbildung geführt, weshalb die Kapelle geschlossen werden musste. Jetzt aber wisse man, dass die Kapelle bei einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent am besten vor dem Verfall geschützt sei.



Zwölf Meter unter der Erde

Neben der Klimaanlage wurde auch an einer Konstruktion des Architekturbüros BWM gearbeitet. Die Virgilkapelle ist nun von oben (also auf der Höhe der U-Bahn-Station) begehbar. Betritt man die rund zwölf Meter tiefe Kapelle über den neuen Eingang, so steht man zuerst auf einem kleinen Balkon, von dem man den Raum gut überblicken kann. Zwei Wendeltreppen führen dann hinunter. „Die Kapelle wurde früher immer von oben erschlossen. Für uns war klar, dass wir das wieder so machen wollen“, sagt Bunzl. Den Boden der Kapelle kann man allerdings nicht direkt betreten. Das Architektenteam hat ein Podium aus schwarzem Stahl etwas oberhalb des Bodens eingezogen, das auch einen Abstand zu den historischen Wänden hält. Von diesem Podium aus können Besucher die Kapelle begehen. Unterhalb des Balkons wurde ein kleines Museum für das mittelalterliche Wien eingerichtet. Zusätzlich ist über das Museum ein barrierefreier Zugang möglich.

300.000 Euro habe das Projekt gekostet, sagt Museumsdirektor Bunzl. Dass in der Kapelle auch sakrale Veranstaltungen abgehalten werden, sei für ihn denkbar.

Erbaut wurde die Virgilkapelle zwischen 1220 und 1230. Sie diente auch als Unterbau für eine oberirdische Kapelle, die im 14. Jahrhundert mit der Maria-Magdalena-Kapelle hinzukam. Es wurde damals so tief gegraben, bis man auf eine Schotterschicht stieß, damit die geplante überirdische Kapelle auf möglichst stabilem Untergrund gebaut werden konnte.

Die Virgilkapelle wurde aber auch liturgisch genutzt, etwa als Andachtskapelle einer reichen Wiener Kaufmannsfamilie. Etwas später wurde ein Zwischengeschoß eingezogen (das heute nicht mehr vorhanden ist), das als Karner genutzt wurde. Immerhin war der Stephansplatz einst ein Stadtfriedhof. Ältere Gebeine, die auf dem Friedhof keinen Platz mehr fanden, wurden im Zwischengeschoß der Virgilkapelle gelagert. Wer die Virgilkapelle gebaut hat, ist ebenso unbekannt wie die Tatsache, warum man hier unterschiedliche Baustile sieht. Die massiven Pfeiler sind im damals gerade aufkommenden gotischen Stil gehalten. Bunzl vermutet, dass ein französischer Bauherr engagiert wurde, um eine „kleine Notre Dame in Wien“ zu bauen. „Dann dürfte etwas passiert sein, vielleicht ist das Geld ausgegangen. Sie sehen hier einen Schnitt, man hat dann im alten Stil, also romanisch, weitergebaut“, erklärt Bunzl. Auch die später hinzugekommene und 1781 abgebrannte Maria-Magdalena-Kapelle, die über der unterirdischen Virgilkapelle lag, wurde im romanischen Stil gebaut.

Dass man damals gleich neben dem bereits bestehenden Stephansdom eine zweite Kirche gebaut hat, ist für Bunzl nicht ungewöhnlich. Einerseits ging es darum, Macht zu repräsentieren. Andererseits gab es damals einen wahren Bauboom in der Stadt, ausgelöst durch das hohe Lösegeld, das man durch die Gefangenschaft des englischen Königs Richard Löwenherz einnahm. Damit wurden die alten Stadtmauern abgetragen – der Stephansdom befand sich außerhalb der Stadtmauern – und eine neue Mauer, auf der heutigen Ringstraße, errichtet. Nach dem Brand der Maria-Magdalena-Kapelle wurde diese abgerissen und deren Bauschutt im Untergeschoß, also der Virgilkapelle, gelagert, wodurch die Wandmalereien unversehrt blieben. Erst 1973 stieß man im Zuge des U-Bahn-Baus auf die unterirdische Kapelle.

Samstag und Sonntag ist die Virgilkapelle inklusive Ausstellung kostenlos zu besichtigen. Danach wird Eintritt (fünf Euro) verlangt.

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