Während regierungstreue Milizen gegen die von den USA unterstützte YPG in anderen Teilen Syriens kämpfen und die Führung in Damaskus die Autonomiebestrebungen der Kurden ablehnt, agieren sie in Afrin Hand in Hand. Denn dort haben sie einen gemeinsamen Feind: die Türkei. Sowohl die Kurden als auch die syrische Führung wollen verhindern, dass die Türkei ihren Einflussbereich ausdehnt.
Nach Beginn der türkischen Offensive “Ölzweig” hatten die Kurden an Assad appelliert, Truppen zu schicken, um die Grenze zu verteidigen. Zwar hat die Regierung in Damaskus das türkische Vorgehen als illegale Aggression bezeichnet und mit Gegenmaßnahmen gedroht. Einem offenen Konflikt mit der Türkei etwa durch die Entsendung von Truppen weicht sie aber aus. Allerdings gewährt sie den Kurden indirekt Unterstützung. Sie duldet, dass die Kurden Kämpfer und Nachschub nach Afrin durch Gebiete holen können, die von Regierungstruppen kontrolliert werden. So ließen die Soldaten Hunderte Kämpfer aus dem überwiegend von Kurden bewohnten Stadtviertel Scheich Maksud in Aleppo nach Afrin passieren. Assad kann so viel gewinnen, ohne selbst etwas einzusetzen.
“Es gibt verschiedene Wege, Verstärkung nach Afrin zu bekommen, aber die wichtigste Route führt durch Gebiete der Regierungstruppen”, sagt Kino Gabriel, ein Sprecher der von den Kurden dominierten Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF). Darüber gebe es zwischen beiden Seiten eine Verständigung. Ein Kommandeur der Gegenseite bestätigt dies: “Das syrische Regime hilft den Kurden mit humanitärer Unterstützung und Logistik - etwa indem es wegschaut und kurdischen Nachschub für die Front durchlässt.” In Kurden-Kreisen heißt es, man habe aber auch ein Druckmittel, denn die Regierung sei auf sie angewiesen, um Getreide und Öl aus Regionen im Nordosten des Landes zu erhalten, die unter kurdischer Kontrolle stehen.
IM OSTEN ERHÖHTE SPANNUNGEN ZWISCHEN KURDEN UND REGIERUNG
Bis auf einen rund 100 Kilometer breiten Korridor kontrolliert die YPG das Grenzgebiet zur Türkei, die die Kurdenmiliz als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK bekämpft. Die meiste Zeit des fast siebenjährigen Bürgerkrieges vermieden die syrischen Streitkräfte und die YPG direkte Konfrontationen, zeitweise bekämpften sie sogar gemeinsame Gegner, darunter Rebellengruppen, die derzeit der Türkei bei der Offensive in Afrin helfen.
In den vergangenen Monaten haben sich aber die Spannungen zwischen beiden Seiten erhöht, und die Regierung hat mit einem Einmarsch in Gebiete im Osten und Norden des Landes gedroht, die die SDF mit US-Unterstützung von der Extremistenmiliz IS eingenommen hat. Um dies zu untermauern, griffen jüngst regierungstreue Milizen die SDF in der Ostprovinz Deir al-Sor an, was einen massiven Gegenangriff der US-geführten Koalition zur Folge hatte. “Die Positionen der YPG und des Regimes über die Zukunft Nordost-Syriens liegen noch weit auseinander”, sagt der Syrien-Experte der International Crisis Group, Noah Bonsey.
Mit der Unterstützung der kurdischen Peschmerga-Kämpfer aus dem Nordirak kann die YPG nicht rechnen, obwohl gerade sie Waffen wie deutsche Milan-Panzerabwehr-Raketen haben, die ihnen von Nutzen sein könnten. Denn die Milan wäre für den Einsatz gegen den Kampfpanzer Leopard 2 geeignet, den die Türkei bei ihrer Offensive nutzt. Experten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Waffen von Kurden zu Kurden weitergereicht werden und damit deutsche Raketen gegen deutsche Panzer zum Einsatz kommen könnten. Grund sei die tiefe Feindschaft zwischen der Kurdenregierung im nordirakischen Erbil und der PKK. “Die Chance, dass die Kurdenregierung der PKK offiziell Waffen zukommen lässt, ist gleich null”, sagt Francis O‘Connor von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). “Es gibt keine Beziehung zwischen den Peschmerga und der PKK. Sie haben in den 90er Jahren ein paarmal gegeneinander gekämpft, und obwohl es seither kaum noch zu offenen Feindseligkeiten gekommen ist, sind sie weiter erbitterte Gegner.”
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