Die westlichen Behauptungen, Russland und China würden zunehmend den Frieden bedrohen, weil sie aufrüsten, seien Lügen. So sieht es der ehemalige niedersächsische Linkspartei-Landtagsabgeordnete Manfred Sohn. Er warnte in einem Beitrag für die Ausgabe der Zweiwochenschrift „Ossietzky“ vom 10. Februar vor der Kriegsgefahr durch westliche Aufrüstungspläne.
Sohn machte darauf anhand eines Reports im britischen Wirtschaftsmagazin „The Economist“ vom 27. Januar aufmerksam. Dieser wurde unter dem Titel „The Next War“(„Der nächste Krieg“) veröffentlicht und beschrieb die zunehmende Gefahr eines Konfliktes zwischen den heutigen Großmächten. Gemeint sind damit die USA, Russland und China.
Neuer Weltkrieg nicht mehr unvorstellbar
Der friedensengagierte Ex-Politiker und Gewerkschafter sieht das Magazin aus London als „das wohl wichtigste in englischer Sprache veröffentlichte Selbstverständigungsorgan der kapitalistischen Eliten wenigstens in Großbritannien, der EU und den USA“. Schon der Leitartikel der „Economist“-Kriegs-Ausgabe macht laut Sohn deutlich, worum es geht. Danach gelte ein „alles zerstörender Zusammenstoß zwischen den großen Mächten der Welt“ inzwischen nicht mehr als unvorstellbar – anders als lange Zeit nach dem 2. Weltkrieg.
Das britische Magazin verweist dabei auf die neue Militärstrategie des Pentagons, die China und Russland noch vor dem Dschihadismus als „größte Bedrohung Amerikas“ beschreibe. Geopolitische und auch technologische Entwicklungen würden die bisherige „herausragende militärische Macht“ der USA und ihrer Alliierten untergraben. Die Welt sei auf einen daraus entspringenden militärischen Konflikt nicht vorbereitet.
USA nicht mehr unverwundbar
Laut dem „Economist“-Report sind Russland und China zwar bisher militärtechnisch und vom Rüstungsumfang den USA unterlegen. Doch durch die zunehmende Digitalisierung der Militärtechnik und den steigenden Anteil von Elektronik seien beide Länder immer mehr in der Lage, die bisherige Überlegenheit der USA aufzuheben. So ist es dem Magazin zufolge inzwischen möglich, die bisher als unverwundbar geltenden US-Flugzeugträger ebenso auszuschalten wie die US-Raketenabwehr. Die USA würden „mit großer Geschwindigkeit“ ihre militärtechnologische Überlegenheit verlieren, „die bisher Vertrauen bei den Alliierten und Angst bei seinen Feinden hervorgerufen hat“.
Aus Sicht von Sohn erzeugt die Schlussfolgerung des britischen Magazins „Gänsehaut“: So werden Investitionen in neue Systeme wie Roboterwaffen, künstliche Intelligenz und auch Richtenergiewaffen gefordert. Für den linken Friedensaktivisten wird so auf die beschriebene Kriegsgefahr mit dem Ruf nach mehr Rüstung reagiert. Er schreibt dazu in „Ossietzky“:
„Was vor 1914 das Wettrüsten zwischen den Mächten mit damals hochmodernen Panzerschiffen und vor 1939 das Wettrüsten um die Herrschaft in der Luft und die Perfektionierung der im Ersten Weltkrieg erfundenen Panzerwaffe war, ist heute das vom ‚Economist‘ befürwortete Wettrüsten im Bereich der elektronischen Kriegsführung. Das Ergebnis würde dasselbe sein – kombiniert mit der zivilisationsvernichtenden Wirkung der Atomwaffen, die sich in Hiroshima erstmals gezeigt hat.“
„Verhängnisvoller Weg auf den Abgrund zu“
Erschrocken sei er gewesen, als er den Report der Briten gelesen hat, sagte Sohn gegenüber Sputnik. Wenn ein solches Magazin auf rund 20 Seiten die drohende Kriegsgefahr behandle, dürfe das nicht unbeachtet bleiben. Auch das US-Magazin „Time“ habe eine Woche später ein ähnliches Titelbild veröffentlicht – unter der Überschrift„Making America nuclear again“.
Sohn wies darauf hin, dass der „Economist“ zumindest nicht Russland und China unterstelle, die USA angreifen zu wollen. Dennoch fordere das Magazin, die alte Überlegenheit der USA wiederherzustellen. Darin zeige sich in der britischen Sicht das alte imperialistische Konkurrenzdenken um die globale Hegemonie. „Aber die Konkurrenz wird nicht gekontert, indem man sagt, wir konkurrieren um das bessere Modell, wie das noch im Kalten Krieg der Fall war.“ Die Konkurrenz werde nun als Kriegsgrund gesehen und deshalb ein verschärftes Wettrüsten gefordert. „Das ist meines Erachtens ein ganz verhängnisvoller Weg auf den Abgrund zu“, warnte Sohn.
„Krieg und Krise bedingen sich gegenseitig“
Obwohl China und Russland immer wieder ihren Willen zur Kooperation betonen, reagiert der Westen auf deren zunehmenden globalen Einfluss mit Aufrüstung. Sohn könne das nur im Zusammenhang „mit der Situation der sich vertiefenden Krise in den kapitalistischen Ländern“ erklären.
„Wir leben in einer Zeit von Kriegen und Krisen. Das bedingt sich gegenseitig. Die frühere Gewissheit der kapitalistischen Staaten, der klassischen westlichen Staaten USA, Westeuropa und Japan, dass sie jederzeit das überlegene Gesellschaftsmodell haben, zerbröselt gerade. Die Leute werden zunehmend unzufriedener. Das läuft im Moment nach rechts. Das könnte aber auch nochmal nach links laufen. Das Gefühl, in der ‚besten aller Welten‘ zu leben, zerrinnt ihnen in den Händen.“
Diese Staaten würden ahnen, dass sie ihre Hegemonie nicht mehr halten können und auch andere Mächte und Gesellschaftsmodelle attraktiv werden. Sohn warnte: „Es droht ein Präventivkrieg, weil man Angst hat, den ideologischen und ökonomischen Krieg aus ihrer Sicht gegen Alternativmodelle zu verlieren.“ Das sei der heraufdämmernde Zusammenhang zwischen Krise und Krieg.
Russland und China als Popanz für Aufrüstung
„Das ist einfach gelogen“, sagte der Friedensaktivist zu den westlichen Behauptungen von der chinesischen und russischen Gefahr. „Es geht keine reale Gefahr von China und Russland aus.“ Trotzdem behaupte das Pentagon in seiner neuen Strategie ohne Beleg das Gegenteil. Nach dem Dschihadismus als Grund für Aufrüstung werde nun der „Popanz Russland und China aufgebaut, gegen den sich die militärische Macht des Westen in Zukunft mit zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in allen Nato-Staaten richtet“. Es werde versucht, „durch eine Ansammlung von Lügen und Unverfrorenheit, die Völker zu überzeugen, diesen verhängnisvollen Kurs mitzugehen“.
Sohn erinnerte im Interview wie bereits in „Ossietzky“ daran, dass der UN-Generalsekretär Antonio Guterres 2017 vor der Gefahr eines großen Krieges warnte. Auch der ehemalige SPD-Politiker Egon Bahr habe schon 2013 gewarnt, „dass wir in einer Vorkriegszeit leben“. „Das muss man sich in aller Deutlichkeit vor Augen führen.“ Ihm mache die Unbekümmertheit Sorgen, mit der in der Bundesrepublik diese Kriegsgefahr sowie die Diskussionen und Warnungen ignoriert würden. Dagegen werde zu oft „dieser Blödsinn der Nato-Oberen nachgeplappert“.
Unterdessen wird anscheinend der von Sohn beschriebene „verhängnisvolle Weg auf den Abgrund zu“ weiter beschritten: Die Nato plant in ihrer Aufrüstung gegen Russlandneue Kommandozentren. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz ab Freitag wird auch vor der Gefahr durch China und Russland gewarnt. Und das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in London behauptet in seinem neuesten Bericht am Mittwoch, China und Russland fordern zunehmend die militärische Vormachtstellung der Vereinigten Staaten und seiner Verbündeten heraus.
Quelle : sputnik.de
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