Enthüllungsjournalist Jan Kuciak ist tot

  27 Februar 2018    Gelesen: 1817
Enthüllungsjournalist Jan Kuciak ist tot

Ein brutaler Mord schockt die slowakische Öffentlichkeit: Unbekannte Attentäter erschießen einen jungen Reporter und seine Verlobte. Der Polizeipräsident ist sich sicher - der oder die Mörder wollten die Aufdeckung schmutziger Geheimnisse verhindern.

 

In der Slowakei sind der investigativ arbeitende Journalist Jan Kuciak und seine Lebensgefährtin in ihrem Privathaus erschossen worden. Wahrscheinlichstes Motiv des Doppelmordes sei die Tätigkeit des Mannes gewesen, erklärte Polizeipräsident Tibor Gaspar in Bratislava. "Die Indizien weisen darauf hin, dass die Ermordung geplant war und nicht bei einer spontanen Auseinandersetzung erfolgte", sagte Gaspar. Beide Opfer seien durch Schüsse in Kopf und Brust getötet worden.

"Die Ermordung eines Journalisten ist ein schwerwiegendes Zeichen dafür, dass sich das Verbrechen gegen eine der wichtigsten Säulen der Freiheit wendet: die Redefreiheit und das Recht der Bürger, die Mächtigen und diejenigen, die das Gesetz missachten, zu kontrollieren", heißt es in einer kurzen Erklärung der Chefredaktion des Nachrichtenportals Aktuality.sk zum Tod des jungen Reporters.

Der 27-jährige Enthüllungsjournalist hatte für "Aktuality" regelmäßig über Fälle von mutmaßlichem Steuerbetrug berichtet. Kuciak war seit 2015 Redakteur der Seite, die zu Ringier Axel Springer Slovakia gehört, einem regionalen Ableger des deutschen Medienkonzerns Axel Springer und der Schweizer Ringier Holding. Der Tatort liegt rund 65 Kilometer östlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava in der Ortschaft Veľká Mača bei Galanta.

Polizei: Bluttat offenbar geplant


"Wir sind entsetzt und fassungslos über die Nachricht, dass Jan Kuciak und seine Lebensgefährtin offenbar Opfer eines grausamen Attentats geworden sind. Auch wenn die Hintergründe noch nicht vollständig aufgeklärt sind, liegt der Verdacht nahe, dass das Verbrechen im Zusammenhang mit einer laufenden Recherche unseres Kollegen steht", erklärte das Verlagshaus Axel Springer.

Mit seiner Arbeit als Investigativ-Journalist hatte Kuciak in dem mitteleuropäischen EU-Staat wiederholt großes Aufsehen erregt: In seinen Veröffentlichungen schaute er unter anderem auch prominenten Unternehmern auf die Finger, die seinen Recherchen zufolge Geschäftsverbindungen zu den regierenden Sozialdemokraten ebenso wie zu Kreisen der organisierten Kriminalität unterhalten haben sollen.

Einer dieser Unternehmer hatte Kuciak zuletzt wegen dessen Aufdeckungsberichten offen mit Vergeltung gedroht. In der Drohung ging es allerdings nicht um Gewaltanwendung. Der Unternehmer Marian Kocner wollte über Kuciak und seine Familie ähnliche "Schmutzberichte sammeln", wie dieser über ihn, hatte der Unternehmer gegenüber Medien erklärt.

Polizeipräsident verspricht Aufklärung


Kocner gilt in der Slowakei seit über zwanzig Jahren als besonders schillernde Symbolfigur für Verbindungen zwischen Politik und zwielichtiger Geschäftemacherei. Der nun ermordete Kuciak und andere Journalisten sagten ihm zuletzt geschäftliche Verbindungen zu Spitzenpolitikern bis hin zum umstrittenen Innenminister Robert Kalinak nach.

In seiner jüngsten Geschichte für Aktuality.sk vom 9. Februar berichtete Kuciak über den Verdacht des Steuerbetrugs in Verbindung mit einem Komplex von Luxuswohnungen in Bratislava. "Sollte das Attentat ein Versuch sein, einen unabhängigen Verlag wie Ringier Axel Springer Slovakia davon abzuhalten, Missstände aufzudecken, werden wir dies zum Anlass nehmen, unseren journalistischen Auftrag noch gewissenhafter und konsequenter auszuüben", erklärte der Berliner Medienkonzern.

Nach Angaben des Polizeipräsidenten hatte die Mutter der getöteten Frau die Polizei gerufen, weil sie seit Donnerstag nichts mehr von ihrer Tochter gehört hatte. Eine Polizeistreife sei daraufhin zu dem Haus nahe der westslowakischen Stadt Galanta gefahren, in dem das Paar wohnte, und habe die beiden Toten gefunden.

Vermutliche Tatzeit und Tathergang würden erst noch ermittelt, erklärte der sichtlich selbst geschockte Polizeipräsident Gaspar vor Journalisten. Er versprach, alle verfügbaren Kräfte einzusetzen, um den oder die Täter zu ermitteln. "Die Slowakei hat noch nie einen solch beispiellosen Angriff auf einen Journalisten erlebt", fügte er hinzu.

Gaspar hatte in der Vergangenheit selbst wiederholt Innenminister Kalinak bei dessen heftiger Kritik an Aufdeckungsjournalisten unterstützt. Kalinak wird von den Medien seit längerem vorgeworfen, mutmaßliche Steuerbetrüger zu schützen. Der Minister wies bisher jedoch alle solche Vorwürfe zurück.

Quelle: n-tv.de


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