Erdogans Ringen mit der EU: "Chance auf Einigung sehr schwierig" – Expertin

  27 März 2018    Gelesen: 1150
Erdogans Ringen mit der EU: "Chance auf Einigung sehr schwierig" – Expertin

In Bulgarien findet aktuell eine Neuauflage des EU-Türkei-Gipfels statt. Dabei wollen sich der türkische Präsident Erdogan und Vertreter der EU über zahlreiche strittige Themen austauschen. Dabei scheint eine Einigung äußerst schwierig, nicht nur wegen der türkischen Militäroperation in Syrien, sagt die Türkei-Expertin Dr. Gülistan Gürbey.

Ein gemütliches Treffen bei Tee und Gebäck wird die Neuauflage des EU-Türkei-Gipfelssicher nicht. Zu viele strittige Themen belasten das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara. Der Europäischen Union geht es dabei vor allem um die Aufrechterhaltung des Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Staatspräsident Erdogan will dagegen insbesondere wirtschaftliche Vorteile für sein Land erreichen. Dr. Gülistan Gürbey, Türkei-Expertin an der Freien Universität Berlin, sieht die Zusammenkunft skeptisch:

„Eine Einigung ist sehr schwierig. Das Flüchtlingsabkommen ist von besonderem Interesse für die Europäische Union. Aber auch für die Türkei, denn schließlich geht es für das Land darum, Gelder zu bekommen, um die Flüchtlingswelle im eigenen Land zu handhaben.“

Ankara brauche deswegen dringend die von der EU versprochenen Milliardenhilfen, so die Expertin weiter. Dennoch sei offensichtlich, dass sich Präsident Erdogan auch wegen des großen türkischen Interesses an einer verbesserten Zollunion um ein besseres Verhältnis zur EU bemühe. Damit verbunden wäre auch die Visafreiheit türkischer Staatsbürger in der Union. Doch Dr. Gürbey winkt ab:

„Die Aussichten sind nicht groß. Die wichtigsten Vorbedingungen für die Visafreiheit hat die Türkei eigentlich erfüllt. Aber ein Problem sieht die EU weiterhin in der türkischen Antiterror-Gesetzgebung, hier wünscht die Europäische Union grundlegende Reformen.“

Denkbar ist laut Gürbey allerdings ein Kompromiss. Sollte die Türkei glaubhafte Bewegungen bei den verlangten Reformen zeigen, so könne beispielsweise eine Visafreiheit für bestimmte Gruppen eingeführt werden, etwa für einzelne Unternehmen.

Seit der türkischen Militäroffensive im syrischen Afrin setzt Ankara auf diplomatischere Töne gegenüber dem Westen. Das Verhältnis zu den USA gilt aktuell als unterkühlt, auch deshalb bemühe sich die Türkei um ein besseres Klima gegenüber der EU, so Gürbey:

„Aber man muss auch noch einmal betonen, dass die Türkei für die EUein sehr wichtiger Handelspartner ist. Und durch die Erweiterung der Zollunion soll dieser Handel weiter angekurbelt werden. Davon würden beide Seiten profitieren. Deswegen ist dieser Gipfel von besonderer Bedeutung. Man will positive Signale setzen, auch um von dem türkischen Militärengagement im syrischen Afrin abzulenken.“

Diese Ablenkung funktioniert aber nur bedingt. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen. Er verurteilte die Militäroperation im syrischen Afrin. Mit der Offensive würden die Flüchtlingsbewegungen noch weiter verschärft, ist sich Kurz sicher. Die Türkei als Teil der EU – auch für Dr. Gürbey ein unrealistisches Szenario:

„Die Chance auf einen EU-Beitritt ist schon längst nicht mehr gegeben und die Beitrittsverhandlungen sind ja schon seit längerer Zeit ausgesetzt – zu Recht. Österreich hatte hier schon immer eine kritische Haltung und es hat sich aufgrund der innerdemokratischen Entwicklungen in der Türkei ganz klar und deutlich positioniert.“

Handfeste Ergebnisse werden von dem aktuellen EU-Türkei-Gipfel deshalb kaum erwartet. Vielmehr gilt es, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen – der Wirtschaft sei Dank. EU-Kommissionspräsident Juncker kündigte an, eine „ehrliche und offene Aussprache“ mit Erdogan zu führen. Wie weit sich die Verhandlungspartner auch mit Blick auf ihre ganz unterschiedlichen Interessen entgegenkommen können, bleibt abzuwarten.

sputniknews


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