Die Formulierung ist unmissverständlich. Das US-Heimatschutzministerium baue einen "Medienüberwachungsdienst" auf, steht in dem sechsseitigen Papier mit der Nummer RNBO-18-00041, veröffentlicht auf der Ausschreibungs-Website der US-Regierung. Dafür suche man Vertragspartner, möglichst im Umkreis Washingtons. Bewerbungsfrist: Freitag dieser Woche, 13 Uhr.
Die Details scheinen von George Orwell zu stammen: Das Ministerium wolle "mehr als 290.000 Nachrichtenquellen" aus dem In- und Ausland scannen und "Journalisten, Redakteure, Korrespondenten, Social-Media-Influencer, Blogger etc." in einer Datenbank speichern - nach "Inhalten" und "Meinung".
Der Zweck dieser rechtlich dubiosen Massenerfassung bleibt unklar. Die US-Regierung wolle "die Widerstandsfähigkeit der physischen und Cyber-Infrastruktur" stärken, heißt es da nur. Kritiker befürchten dunklere Motive. Die Datenbank ziele auf Journalisten, die Donald Trump kritisierten, twitterte die Autokratie-Expertin Sarah Kendzior: "Eine böse Entwicklung."
Angesichts der Dauertiraden des US-Präsidenten gegen unabhängige Medien ist das keine abwegige Annahme. Zumal diese Tiraden in den vergangenen Wochen immer lauter wurden: Zuletzt wetterte Trump vor allem gegen die missliebige "Washington Post" und deren Besitzer, Amazon-Chef Jeff Bezos.
Trumps Medienaversion ist bekannt. Doch seine lange nur belächelten Wutausbrüche über CNN, die "New York Times" und andere Medienhäuser zeigen inzwischen Wirkung, national wie international. Global wächst der Druck auf Journalisten, seit die USA die Pressefreiheit nicht mehr ganz so hochhalten. Trumps Überwachungspläne geben dem nun einen ominösen Kontext.
"Es nimmt überhand, und seine Berater müssen ihn davon abbringen", klagte "NYT"-Chefredakteur Dean Baquet bei CNN über die "schädlichen" Attacken Trumps. "Unsere Arbeit ist unverzichtbar." Ex-Außenministerin Madeleine Albright bezeichnete die "Untergrabung der Presse" durch Trump in einem Interview mit dem Radiosender NPR sogar als einen der Faktoren, der ihn zum "antidemokratischsten Führer der US-Geschichte" machten.
Bewusst oder unbewusst: In der Tat verlaufen die täglichen Angriffe Trumps nach dem klassischen Autokraten-Drehbuch. Trump nutzt offizielle Kanäle, um kritische Medien niederzumachen oder ihnen politisch die Arbeit schwer zu machen. Zugleich propagiert er regierungsnahe Organe wie Fox News und freundliche TV-Lokalsender. Am Ende verlieren die Konsumenten zusehends den Überblick darüber, was Wahrheit ist, was Fake News und was Staatspropaganda.
spiegel
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