Rechtsruck in Warschau: Bundesregierung entsetzt über Polens neue Regierung

  19 Dezember 2015    Gelesen: 749
Rechtsruck in Warschau: Bundesregierung entsetzt über Polens neue Regierung
Die Politik der konservativen Führung in Warschau empört nach SPIEGEL-Informationen die Bundesregierung. Die "schlimmsten Befürchtungen" würden bestätigt, heißt es in Berlin - man fühlt sich an Ungarns Premier Orbán erinnert.
Die Bundesregierung ist entsetzt über die Politik der neuen polnischen Regierung. "Was sich derzeit in Warschau abspielt, bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen", sagte ein Kabinettsmitglied dem SPIEGEL. Der Versuch, Einfluss auf Justiz und Presse zu nehmen, erinnere an die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Besondere Empörung hat im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt nach SPIEGEL-Informationen ein Interview des neuen Außenministers Witold Waszczykowski mit der "Berliner Zeitung" hervorgerufen. Dieser hatte der Bundesregierung vorgeworfen, sie kümmere sich mehr um die Interessen Russlands als um die Sicherheitsinteressen Polens. "Wir dachten, diese Phase sei eigentlich überwunden", sagte ein Spitzenbeamter der Bundesregierung.
Polens Außenminister hatte unter anderem erklärt, sein Land stelle "einen Stimmungseinbruch der Deutschen gegenüber Polen" fest. "Wir aber wollen gute Beziehungen und mehr Verständnis für unser Anliegen, in Polen Nato-Einheiten zu stationieren", so Waszczykowski.

Für Verwunderung sorgt auch die Tatsache, dass die neue Ministerpräsidentin Beata Szydlo Bundeskanzlerin Angela Merkel trotz einer Einladung noch immer keinen Termin für ein Treffen vorgeschlagen hat. Das sei ein "höchst ungewöhnliches Vorgehen", heißt es in Berlin. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), forderte Bundesregierung und EU-Kommission zum Handeln auf: "Wir dürfen nicht zusehen, wie in einem EU-Mitgliedstaat der Rechtsstaat geschliffen wird."

Bei den Parlamentswahlen im Herbst hatte sich die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) des nationalkonservativen Jaroslaw Kaczynski durchgesetzt. Nach ihrem Regierungsantritt sorgte die neue Regierung mit der Neuwahl eines Teils des Verfassungsgerichts für innenpolitisch für Ärger. Menschenrechtler, Oppositionelle und hochrangige Juristen sehen darin einen Angriff auf Justiz und Demokratie, wie polnische Medien berichteten.

Auch sollen im staatlichen Fernsehen und Rundfunk Umbesetzungen erfolgen. Am vergangenen Wochenende hatten in Warschau sowohl Tausende von Gegnern als auch Anhängern der PiS demonstriert. Polens einstiger Präsident und Nobelpreisträger Lech Walesa sprach gar von der Gefahr eines Bürgerkriegs.

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