Wie Moskau unternehmensfreundlicher werden will

  22 Dezember 2015    Gelesen: 1294
Wie Moskau unternehmensfreundlicher werden will
Wieso für Unternehmen laut Moskauer Stadtregierung jetzt “time for Moscow” ist.

Die Stadt Moskau bemüht sich, attraktiver für Unternehmen zu werden – auch für ausländische. Dazu hat die Stadt kürzlich eine Konferenz veranstaltet, um für den Standort Moskau zu werben. Ein Bericht.

Ein Gastbeitrag von Magdalena Riedel

Am 9. und 10. Dezember sei “Zeit für Moskau”, befand die Moskauer Stadtregierung. An diesen Tagen wurde dementsprechend die internationale Konferenz mit dem Namen „It’s time for Moscow“ im Moskauer World Trade Center abgehalten. Das Departement für außerwirtschaftliche und internationale Beziehungen der Moskauer Stadtregierung hatte sie organisiert.

Mit der Konferenz sollten hauptsächlich, ausländische und russischsprachige Medienvertreter im Ausland erreicht werden. Es ging dabei um die Themen Stadtentwicklung, internationaler Handel sowie innovative Projekte, die Moskau für Unternehmer und Touristen attraktiver machen sollen.

Zu den Paneldiskussionen waren Vertreter der Moskauer Stadtregierung, russische und ausländische in Russland lebende Wirtschaftsvertreter geladen. Der Vorsitzende des Departements und Minister der Moskauer Stadtregierung Sergej Tscherjomin machte mit einem Vortrag über die Entwicklung der russischen Hauptstadt den Anfang.

Neue Wachstumsmotoren und Innovationszentren

Er gab dabei einen Überblick über die laufenden Projekte, die dem Expansionsdrang der Megametropole gerecht werden sollen.

Neben infrastrukturellen und architektonischen Großprojekten wie der Errichtung des neuen Stadtteils „Novaya Moskva“ oder dem Bau des zweiten Metro-Rings, stellte Tscherjomin auch wirtschaftliche Projekte vor, die Moskau als hochmodernen und innovativen Standort für Unternehmer attraktiver machen sollen.

Sonderwirtschaftszone Zelenograd

Zum Beispiel die nordöstlich von Moskau gelegene Sonderwirtschaftszone Zelenograd. Schon zu Sowjetzeiten beherbergte das für Ausländer damals unzugängliche Zelenograd die modernsten und bedeutendsten Elektronik-Produktionsstätten Russlands. Heute ist es ein Wissenschafts- und Gewerbezentrum für Mikro- und Nanoelektronik, Biotechnologie und andere Arten hochentwickelter Technologien, das mit besonders günstigen Bedingungen für Unternehmen wie steuerlichen Vorteilen lockt.

Skolkowo

Ein weiteres hochambitioniertes Projekt entsteht derzeit im Moskauer Vorort Skolkovo: Dort wird das gleichnamige Innovationszentrum gebaut, das nach dem Vorbild des kalifornischen Silicon Valleys ein russisches Forschungs- und Technologiezentrum sowie ein Hotspot für High-Tech- Entwickler und Innovatoren werden soll. Bereits 1.200 Start-Ups mit über 14.000 festangestellten Mitarbeitern sind dort angesiedelt. Zu den industriellen Partnern zählen große internationale Firmen wie Siemens, Airbus, IBM oder Samsung. Neben diversen Technologie- und Wissenschaftsclustern beherbergt das Gelände auch eine eigene Universität, das Skolkovo Institut für Forschung und Technologie (Skoltech).

Die Krise als Chance

Tscherjomin bekräftigte, dass man bemüht sei, ein attraktiver Standort für Unternehmen zu sein. Die Investitionen seien im Zuge der Wirtschaftskrise zurückgegangen, jedoch habe die Stadt darauf reagiert und gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um transparentere Bedingungen und einen besseren Investorenschutz zu gewährleisten. Man solle in der Krise nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch Chancen zur Entwicklung sehen, so seine abschließende Bemerkung.

Diese Worte bestätigte auch Alexis Rodzianko, der Vorsitzende der American Chamber of Commerce in Russia. Es sei um einiges leichter geworden, in Moskau zu leben und zu arbeiten. Man habe sich einen Ruf aufgebaut, der jedoch unter bestimmten politischen Entwicklungen in die falsche Richtung leiden könnte. So habe der Fall des Ölpreises zwar einen großen Einfluss auf die russische Wirtschaft gehabt, andererseits habe er gezeigt, wie wettbewerbsfähig die russische Industrie ist. Der Druck der Sanktionen sei jedoch immer noch zu spüren, mehr als 500.000 Unternehmen seien russlandweit davon betroffen.

Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich Rodzianko allerdings optimistisch: „Die USA, die EU und Russland haben gemeinsame geopolitische Interessen. Die derzeitigen Schwierigkeiten werden früher oder später überwunden. Wir haben schon schlechtere Zeiten durchgemacht, das Geschäft wird weitergehen.“

Trotz des Fall des Rubels und den rückgängigen Verkaufszahlen (die Automobilbranche verzeichnete seit Beginn der Sanktionen eine Rückgang um 40%, die Lebensmittelbranche um 30%) verfolge Moskau einen konstruktiven Ansatz und schaffe mehr Möglichkeiten für Investoren.

“Manche Gesetze sind negativ für das Investitionsklima”

Ernstere Worte fand Rodzianko zur gesetzlichen Lage für ausländische Unternehmen. Einige Gesetze, die auf föderaler Ebene zum Schutz der nationalen Sicherheit eingeführt wurden, könnten sich demnach negativ auf das Investitionsklima auswirken.

Als Beispiel führte Rodzianko das neue Datenschutzgesetz an, das das Speichern und Verarbeiten von personenbezogenen Daten russischer Bürger in Russland vorschreibt. Auch das Gesetz über „unerwünschte“ Organisationen könne für Investoren ein Problem darstellen. Es richte sich zwar nicht direkt gegen kommerzielle Unternehmen, jedoch könne jede Organisation davon betroffen sein. In diesem Fall gebe es keinerlei Instrumente, um gegen eine solche Entscheidung Einspruch zu erheben.

Die Risiken seien somit heute wesentlich höher, jedoch könne man lernen, damit zu leben.

Warum in Russland investieren?

Wie und ob sie das gelernt hatten, durften die ausländischen Wirtschaftsvertreter bei der zweiten Paneldiskussion diskutieren.

Besprochen wurden unter anderem die Attraktivität des russischen Marktes für ausländische Unternehmer und der Umgang mit den Sanktionen. Jeroen Ketting, Gründer und Direktor der Unternehmensberatung Lighthouse Group, verwies auf das große wirtschaftliche Wachstum Russlands. Besonders im Bereich der Agrarindustrie sei eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit zu beobachten.

Für ausländische Unternehmer und Investoren könne zum Beispiel die hohe Importquote bestimmter Produkte wie Äpfel oder Gewächshausgemüse oder der Mangel an Milch in Russland profitable Chancen darstellen, sowie die Tatsache, dass die Hälfte aller Lebensmittel noch immer in kleinen Betrieben hergestellt würde.

“Ich habe nur mit einem Studentenkredit ein kleines Unternehmen aufgebaut.”

Besonders attraktiv mache den russischen Markt, dass man auch ohne große Investitionen schon Geschäfte machen könne, so Ketting. „10.000 bis 15.000 Euro sind genug für den Aufbau eines kleinen Unternehmens. Ich selbst habe nur mit einem Studentenkredit begonnen.“

Ähnlich sieht es auch Lorenzo Getti, der Gründer und Eigentümer des italienischen Supermarktes „Da Lorenzo“ in Moskau. Auf die Frage, ob ihn als Anbieter italienischer Waren die Sanktionen gegen europäische Lebensmittel nicht stark beeinträchtigen würden, meinte er: „Wir Ausländer mussten natürlich reagieren. Wir begannen unsere Produkte aus russischen Zutaten selbst herzustellen. Die Technologie dafür haben wir aus Italien, das Rohmaterial aus Russland. Wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen.“

Zuletzt wurde der strategisch günstige Standort Moskaus erwähnt. So meinte Ekaterina Gorokhova, Vizepräsidentin und Vorsitzende der Personaldienstleistungsfirma Kelly Services in den GUS-Staaten: „Moskau ist der ideale Startpunkt für weitere unternehmerische Tätigkeiten in der Eurasischen Union. Auch in diesen Ländern gibt es viele Möglichkeiten für Investoren, zum Beispiel ist die Logistik in Belarus besser. Aber Moskau ist ein guter Ausgangspunkt“.

Andere “Besteuerungsmentalität” in Russland

Generell wurde auf der Konferenz ein überaus positives Bild des Wirtschaftsstandorts Moskau gezeichnet. Schwierigkeiten oder Hürden für ausländische Unternehmer wurden nur verhalten oder zweideutig formuliert. So meinte Ketting in Bezug auf das russische Steuersystem, man müsse als Unternehmer auch die „inoffiziellen Steuern“ mit in Betracht ziehen.

Ähnlich drückte es Marina Tschebotaeva, Vorsitzende der Wasseraufbereitungsfirma EnviroChemie in Russland, aus. Ihrer Meinung nach herrsche in Russland, was die Besteuerung betreffe, eine andere Mentalität. Kenne man aber die Spezifika des russischen Marktes und halte sich an alle Regeln und Gesetze, gebe es keine Probleme.

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