„Kein merklicher Einfluss“: Europas neue Alternative zu russischem Gas

  23 Mai 2018    Gelesen: 789
„Kein merklicher Einfluss“: Europas neue Alternative zu russischem Gas

Eine neue Gaspipeline, die durch Exporte aus Aserbaidschan eine Alternative zu russischen Gaslieferungen nach Europa bieten soll, steht kurz vor der Inbetriebnahme. Inwieweit ist sie fähig, Russlands Positionen am Gasmarkt zu beeinflussen? Eine Antwort bietet Alexander Frolow, Vizechef der russischen Denkfabrik National Energy Institute.

Wie Frolow in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Iswestija“ schreibt, soll die Transanatolische Pipeline (TANAP) am 12. Juni in Betrieb gehen. Sie ist Teil des sogenannten Südlichen Gaskorridors. Auf diesem Weg soll aserbaidschanisches Erdgas in die Türkei und später auch nach Europa transportiert werden.

„In Europa selbst wird dieser Korridor als Alternative zu russischen Lieferungsrouten bezeichnet und sogar Projekten wie Nord Stream 2 und Turkish Stream gegenübergestellt. Doch in Wirklichkeit wird der Südliche Gaskorridor keinen merklichen Einfluss auf Russlands Lage am Gasmarkt ausüben“, postuliert Frolow.

Wie er erläutert, soll die Transportleistung der TANAP-Pipeline 16 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich betragen. Sechs Milliarden davon bekommt voraussichtlich die Türkei, der Rest soll über die geplante Trans-Adria-Pipeline weitergeliefert werden – vor allem an Italien, das mit acht Milliarden Kubikmeter rechnet.

Dabei hatte der russische Energiekonzern Gazprom im vergangenen Jahr laut Frolow 29 Milliarden Kubikmeter Erdgas an die Türkei und 23,8 Milliarden Kubikmeter an Italien geliefert. Ein starker Anstieg der russischen Lieferungen nach Italien war, stellt der Experte fest, vor allem zu Beginn des laufenden Jahrzehnts zu beobachten gewesen.

Frolow kommentiert, jener Anstieg sei darauf zurückzuführen gewesen, dass die Exporte aus Libyen wegen des Bürgerkrieges in diesem Land geschrumpft waren. Nur Russland habe es damals geschafft, die wegfallenden Liefermengen schnell zu kompensieren. In den 2020er Jahren werde Aserbaidschan den Italienern in Sachen Gaslieferungen faktisch einen „Ersatz für Libyen“ bieten.

„Unterdessen wird die Gasförderung innerhalb der Europäischen Union weiter zurückgehen, während die Nachfrage nach Gas laut aktuellen Prognosen zunehmen soll. Sowohl in der EU als auch in der Türkei wird der Bedarf an Importgas wachsen“, schreibt der Analyst.

Die Beteiligten am Südlichen Gaskorridor werde dann die Frage beschäftigen, ob sie genug Ressourcen haben, um die geplanten Liefermengen zu gewährleisten: „Man sollte sich aber keine Sorgen machen. Wenn eigenes Gas nicht ausreicht, wird man es immer in Russland kaufen können.“

sputnik.de


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