Seine Machtfülle erscheint von Anfang an begrenzt, und dennoch zittert Europa vor ihm: Giuseppe Conte wird aller Voraussicht nach neuer Regierungschef in Italien, ein bislang weitgehend unbekannter Juraprofessor mit schillerndem Lebenslauf. Der 53-Jährige darf dann umsetzen, worauf sich die beiden so unterschiedlichen Koalitionspartner in wochenlangen zähen Verhandlungen geeinigt haben. Dieser Koalitionsvertrag aber hat es in sich.
Denn die offen fremdenfeindliche und rechtspopulistische Lega und die nicht minder populistische Fünf-Sterne-Bewegung hatten im Wahlkampf zwar beide teure Versprechen gemacht, aber nicht die gleichen. Im gemeinsamen Regierungsprogramm entschieden sie sich dann nicht für ein Entweder-oder, sondern für ein Sowohl-als-auch: Es sollen schlicht alle Vorhaben umgesetzt werden, der Preis spielt keine Rolle.
Dabei dürften allein die drei wichtigsten Reformen laut Experten mindestens 75 Milliarden Euro kosten, wahrscheinlich aber eher 90 Milliarden Euro - pro Jahr. Zur Einordnung: Gemessen an der Wirtschaftsleistung entspräche das in Deutschland Mehrausgaben von 140 bis 170 Milliarden Euro im Jahr.
In jedem Fall ist es Geld, das Italien nicht hat. Das ist auch der wichtigste Grund für die Ängste im Rest Europas. Die teuren Reformen müssten mit neuen Schulden bezahlt werden - und von denen hat Italien schon mehr als genug. Seit 2015 hat das Land in absoluten Beträgen den höchsten Schuldenberg der Eurozone, auf 2,26 Billionen Euro ist er inzwischen angewachsen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist das eine Schuldenquote von 132 Prozent - mehr als das Doppelte der laut Maastricht-Kriterien eigentlich erlaubten 60 Prozent.
Setzt Conte das ihm vorgeschriebene Programm tatsächlich um, würde die Neuverschuldung von 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2017 auf rund sieben Prozent schnellen. Und damit auch die ohnehin hohe Zinslast erneut steigern. Bereits jetzt muss Italien mit 65 Milliarden Euro fast doppelt so viel Zinsen im Jahr bezahlen wie Deutschland.Dennoch war das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit Italiens zuletzt sehr hoch. Doch genau dieses Vertrauen steht nun auf dem Spiel. Bereits in den vergangenen Wochen sind die Zinsen deutlich gestiegen, die Italien für neue Schulden bezahlen muss - noch in erträglichem Ausmaß, doch das kann sich schnell ändern. Dann droht die Rückkehr der Eurokrise, und das Misstrauen der Finanzmärkte gegenüber Italien könnte auch Spanien und sogar Frankreich erfassen.
spiegel
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