Beim elften Besuch ist alles anders

  24 Mai 2018    Gelesen: 984
Beim elften Besuch ist alles anders

US-Präsident Trump macht die Welt immer unberechenbarer. Kanzlerin Merkel sucht daher den Schulterschluss mit China. Problem: Das Land ist Geschäftspartner und Rivale zugleich.

 

Wenn es darum geht, sein Land als verlässlichen Partner darzustellen, hat Li Keqiang inzwischen einige Übung. Am Donnerstagmorgen stand der chinesische Premierminister nun neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und kritisierte den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran. "Das hat Konsequenzen für die ganze Welt", sagt Li und versichert gleichzeitig, sein Land stehe zu dem Vertrag. Unabhängig davon, wie sich die USA verhielten.


Merkel wird das gerne gehört haben. Eigentlich ist ihr zweitägiger Besuch in China kaum mehr als Routine. Zum elften Mal bereist die Kanzlerin das Land, am Donnerstagmorgen wurde sie in Peking von Li vor der großen Halle des Volkes mit militärischen Ehren empfangen. Kanonensalven hallten zur Begrüßung durch die Innenstadt. Doch der Besuch ist eben auch besonders, weil der amerikanische Präsident Donald Trump heißt und der gerade dabei ist, die Welt, wie man sie kannte, auf den Kopf zu stellen.

Wirtschaftsdelegation begleitet Merkel

Seine Klimapolitik und die Aufkündigung des Iran-Abkommens machen die Dinge schon kompliziert genug. Aber als Merkel in Peking landete, wurde auch noch bekannt, dass Trump mit dem Gedanken spielt, Strafzölle auf Autos zu erheben. Das würde vor allem deutsche Unternehmen treffen. Umso wichtiger ist es also für die Kanzlerin, wenigstens China bei Laune zu halten. Dorthin exportiert Deutschland jedes Jahr Waren im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro.

Wie eng die beiden Nationen inzwischen zusammengerückt sind, zeigt schon die Wirtschaftsdelegation, die Merkel begleitet: Siemens-Chef Joe Kaeser ist unter anderem dabei, der neue VW-Vorstandschef Herbert Diess und Allianz-Boss Oliver Bäte. Vor allem die Finanzbranche drängt darauf, dass China seinen Markt öffnet und deutsche Institute in China dieselben Möglichkeiten eingeräumt bekommen wie chinesische in Deutschland. Reziprozität ist dafür das Fachwort, die Kanzlerin führt es in Peking ständig im Munde. Nach ihrem Gespräch mit dem Premier erklärte sie zumindest, dass es die Ankündigung gebe, die Finanzbranche zu öffnen. Was das genau heißt, muss sich aber erst noch zeigen.


Insgesamt blickt Merkel mit einer Mischung aus Hoffnung und Skepsis auf China. Das Land hat in den vergangenen Jahren strategisch in Deutschland investiert. Der Roboterhersteller Kuka fiel an den chinesischen Konzern Midea, zuletzt übernahm der chinesische Autobauer Geely einen zehnprozentigen Anteil an Daimler.

Merkel sagte, sie sei völlig einverstanden, wenn China sich an deutschen Firmen beteilige: "Das ist in Ordnung." Gleichzeitig aber überlegt die EU, chinesische Investoren künftig stärker unter Beobachtung zu halten. China ist immer Geschäftspartner und Rivale zugleich.

Der wirklich wichtige Termin kommt erst noch

Am Abend (Ortszeit) steht für Merkel ein Essen mit Präsident Xi Jinping auf dem Programm, dem wirklich starken Mann Chinas. Während Xis Vorgänger noch stur Antwortkarten vorlas, wenn Merkel ihm eine Visite abstattete, ist Xi deutlich diskussions- und konfliktfreudiger. Wenn sie den Atomdeal mit Iran retten will, dann muss sie sich auch mit Xi verständigen, das weiß die Kanzlerin. Xi bestimmt die Richtlinien der chinesischen Außenpolitik - wahrscheinlich sogar mehr als Merkel die deutschen.

Ohne China geht derzeit kaum etwas in der Welt, das zeigt sich nicht nur am Beispiel des Iran-Abkommens, sondern auch bei den Verhandlungen mit Nordkorea. Premier Li jedenfalls versicherte in der Pressekonferenz mit Merkel, dass es das Ziel der chinesischen Führung sei, eine koreanische Halbinsel ohne Atomwaffen zu schaffen. Das ist dann ein Punkt, bei dem er sich nicht nur mit Merkel einig ist, sondern auch mit Trump.

spiegel


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