Italien, der Euro und das Dilemma der EU

  31 Mai 2018    Gelesen: 654
Italien, der Euro und das Dilemma der EU

Die gesamte Welt durchlebt einen ebenso epochalen wie tiefgreifenden Wandel: Den Übergang von einer unipolaren zu einer multipolaren Weltordnung. Sie ist geprägt durch den Aufstieg Chinas und Russlands und den schleichenden Niedergang der USA. Wenn die Europäische Union das Euro-Problem nicht bald und grundsätzlich löst, wird sie zerfallen.

Die Konflikte in der Ukraine und Syrien, die Spannungen mit dem Iran und Nordkorea stellen auch Versuche der Amerikaner dar, ihre vermeintlichen Rivalen – China undRussland – geopolitisch einzuhegen und zu schwächen. Dabei wären die Möglichkeiten, die sich aus einem zusammenwachsenden eurasischen Wirtschaftsraum und einer Kooperation mit Russland und China ergeben, für die Länder der EU immens. Doch werden sie ihre Chancen nutzen? Oder wird die EU zu einem losen Staatenbund zerfallen und in der Welt von Morgen keine Rolle mehr spielen?

Gerade heute werden die Weichen für die Zukunft gestellt, gerade heute wäre eine umfassende wirtschafts- und geopolitische Strategie vonnöten – und gerade heute zeigen sich die Staaten der EU uneins und handlungsunfähig.

Eine Ursache hierfür – wenn nicht die wichtigste – ist die Fehlkonstruktion des Euro. Der Euro und seine permanente „Rettung“ haben die EU gelähmt. Die Nullzinspolitik der EZB – eine Folge der Staatsschuldenkrise – und die zahlreichen Ankäufe von Unternehmensanleihen durch die Zentralbank befördern eine Zombieökonomie, in der zahlreiche Firmen nur durch billiges Geld, nicht aber durch Innovationen am Markt bestehen bleiben. Vor diesem Hintergrund ist eine Abkehr von der Politik des billigen Geldes kaum noch denkbar. Zu groß wären die Verwerfungen, auch politischer Natur – wie das Beispiel Italien gerade zeigt.

Was jetzt dringend geboten wäre, wäre eine Reform der Eurozone. Diese müsste aus Schuldenschnitten für mehrere Staaten und dem Umbau des Euro von einer Allein- zu einer Referenzwährung bestehen, wobei bei diesem Modell in den einzelnen Ländern nationale Parallelwährungen in Umlauf gebracht würden. Doch einen solchen Schritt scheut die Politik, weil sie dann den Wählern gegenüber die Karten auf den Tisch legen müsste.

Gerade Frau Merkel und Herr Schäuble haben sich bei ihrer „Eurorettung“ verzockt. Und dies nicht nur wegen der zahlreichen Bürgschaften und des Haftungsanteils der Bundesbank für die von der EZB erworbenen Staatsanleihen. Zusätzlich fallen Target-Salden in Höhe von fast einer Billion Euro an, die aufgrund des Verrechnungssystems über die EZB entstanden sind und die nie ausgeglichen werden dürften. Diese Summe stellt spiegelbildlich einen realen Wohlstandsverlust der arbeitenden deutschen Bevölkerung dar.

Um dies nicht eingestehen zu müssen, pokert Frau Merkel weiter, bei ständig steigendem Einsatz. Dabei wissen alle, dass sie ein denkbar schlechtes Blatt in Händen hält. Deutschland ist durch die „Euro-Rettungspolitik“ erpressbar geworden. Der Euro in seiner jetzigen Form erzwingt eine Transferunion. Allerdings wären hierfür Summen vonnöten, welche die deutsche Volkswirtschaft unmöglich erwirtschaften kann. Wir können jetzt noch etwas Tafelsilber verscherbeln und die Einlagensicherung der Volks- und Raiffeisenbanken in eine gemeinsame europäische Einlagensicherung überführen. Dann steht die kleine deutsche Regionalbank für die französische Großbank ein, die sich mit italienischen Staatsanleihen vollgesogen hat. Nachhaltig ist das nicht. Wenn man vor einem Lagerfeuer sitzt und keine Holzscheite mehr hat, könnte man etwa sein Tagebuch verbrennen. Dann ginge das Feuer erst ein paar Sekunden später aus. Wir sind in eine Sackgasse eingebogen. Und obwohl wir das wissen, weigern wir uns, zu wenden.

Dabei wäre auch den Ländern des kriselnden Südens mit all diesen Konstrukten und Transfers langfristig nicht geholfen. Diese würden einer Modernisierung der dortigen Volkswirtschaften entgegenstehen und dazu beitragen, dass sich Probleme wie eine hohe Jugendarbeitslosigkeit dort verfestigen. Auf diese Art entpuppt sich der Euro nicht als eine „Win-Win“-Währung, sondern als „Lose-Lose“-Währung.

Die Folgen lassen sich gerade in Italien beobachten. Die Aussicht, dass die nächste italienische Regierung über die Einführung von Mini-Bots – staatlich garantierten Wechseln, die auch zur Bezahlung von Steuern herangezogen werden können – den Einstieg in den Ausstieg aus dem Euro einleiten könnte, haben das Establishment in Brüssel, Frankfurt am Main und Berlin offensichtlich in Panik versetzt. Denn dann wäre das Euro-Kartenhaus in sich zusammengefallen.

Ob allerdings eine Technokratenregierung wie unter Carlo Cottarelli Abhilfe schafft, darf angezweifelt werden. Eher dürfte seine Amtsübernahme die EU-Gegner und anti-deutsche Strömungen in der italienischen Gesellschaft noch verstärken. Die nächsten Wahlen werden es zeigen.

Damit befindet sich die EU in einer Abwärtsspirale. Der Zeitpunkt könnte ungünstiger nicht sein. Denn während sich die Machtbalance auf dem Globus verschiebt, während China mächtiger und Russland selbstbewusster wird, bleibt die EU nur Zaungast – und von den Launen der USA weitgehend abhängig. Eins der Druckmittel der USA ist der Dollar, dessen Rolle als Weltleitwährung sie entschlossen verteidigen werden. Wie lang ihnen dies gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Der Euro in seiner jetzigen Form dürfte langfristig allerdings keine Konkurrenz zum Dollar darstellen. Was das bedeuten kann, zeigt sich gerade wieder an dem Streit um die Iran-Sanktionen. Die EU muss sich dringend von der Vormundschaft durch die USA befreien. Und um dies tun zu können, muss sie das Euro-Problem grundsätzlich lösen. Tut sie es nicht, wird sie zerfallen.

sputniknews


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