"Das werden wir uns nicht gefallen lassen"

  23 Juni 2018    Gelesen: 926
"Das werden wir uns nicht gefallen lassen"

Im Streit mit der Kanzlerin legt Innenminister Horst Seehofer nach: Er werde sich auch von deren Richtlinienkompetenz nicht davon abbringen lassen, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen.

 

Der Kampf geht weiter. Seit Tagen tobt in der Union ein heftiger Streit - jetzt attackiert Innenminister Horst Seehofer die Kanzlerin erneut. Der CSU-Chef kündigte in der "Süddeutschen Zeitung" an, er werde sich nicht durch Angela Merkels Richtlinienkompetenz der Kanzlerin davon abbringen lassen, bereits in einem anderen EU-Staat registrierte Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen.

"Das werden wir uns auch nicht gefallen lassen", sagte er. "Man hat im Kanzleramtaus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Und es ist höchst ungewöhnlich gegenüber dem Vorsitzenden des Koalitionspartners CSU, mit der Richtlinienkompetenz zu drohen."

Die Christsozialen hatten wenige Monate vor der Landtagswahl in Bayern ihren Ton in der Flüchtlingspolitik nochmals verschärft. Sie wollen Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, wenn diese bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Die CSU-Spitze hat Merkel bis Ende dieses Monats Zeit gegeben, die von ihr favorisierte europäische Lösung mit bilateralen Rücknahmevereinbarungen zu erreichen.

Andernfalls will CSU-Chef Seehofer als Innenminister gegen Merkels Willen im nationalen Alleingang eine Abweisung an den Grenzen anordnen - ein Schritt, der zum Bruch des Unionsbündnisses und damit der Koalition führen könnte.

Dobrindts Drohung

Das schließt auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nicht aus. Im SPIEGEL drohte er der Schwesterpartei: "Ich habe CDU und CSU immer als Schicksalsgemeinschaft beschrieben. Aber ob wir bei Haltung und Handlung jetzt eine gemeinsame Linie finden können, ist im Moment noch offen." Er persönlich wolle, dass die Union eine Schicksalsgemeinschaft bleibe. "Aber es gehört auch zum Wesenskern des Schicksals, dass man vorher nicht weiß, was es alles noch so für einen bereithält."

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) rief die Union auf, ihren internen Dauerkonflikt endlich zu beenden. "Der binnenfixierte Streit, den sich CDU und CSU gerade leisten, schadet unserem Land. Ich kann nur hoffen, die beiden Parteien finden da schnell wieder heraus", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende der "Rheinischen Post". Zugleich wandte er sich gegen Neuwahlspekulationen angesichts des fast ausweglos erscheinenden Asylstreits: "Wir haben vom Wähler das Mandat bekommen, das Land voranzubringen. Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage für die Arbeit der Regierung. Daran halten wir uns."

Allerdings haben die Sozialdemokraten angesichts der Auseinandersetzungen beim Koalitionspartner nach SPIEGEL-Informationen bereits erste Vorbereitungen für Neuwahlen. So gab es im Willy-Brandt-Haus Ende vergangener und Anfang dieser Woche bereits drei interne Besprechungen unter Leitung des SPD-Generalsekretärs Lars Klingbeil, bei denen es um die Vorbereitung eines auf die Schnelle zu organisierenden Bundestagswahlkampfs ging.

Nach Einschätzung von Linken-Chef Bernd Riexinger geht es der CSU in dem Asylstreit nicht um die Sache. "Ich habe den Eindruck, dass das ein Putsch von rechts gegen Merkel ist. Und dass das eigentliche Ziel ist, Merkel zu stürzen", sagte Riexinger der "Heilbronner Stimme". Als treibende Kräfte des Aufstandes gegen die Kanzlerin sieht er Dobrindt und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. "Bundesinnenminister Horst Seehofer ist in diesem gesamten Prozess sowohl Akteur als auch Getriebener."

Minigipfel in Brüssel

An diesem Sonntag wollen sich die Staats- und Regierungschefs von 16 der 28 EU-Staaten in Brüssel treffen, um an einer europäischen Lösung der Migrationsfrage zu arbeiten.

CSU-Vize Manfred Weber warnte in der "Passauer Neuen Presse": "Wenn Europakeine Antwort auf die Flüchtlingsfrage gelingt, dann ist das eine größere Gefahr für die Zukunft Europas, als es die Euro-Krise war."

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock rief die Bundeskanzlerin auf, sich über die Haltung der CSU hinwegzusetzen. "Kanzlerin Merkel muss beim Minigipfel in Brüssel klar machen, dass ihr Europa wichtiger ist als die rückwärtsgewandte Regionalpartei aus Bayern", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Grünen-Fraktion will von Seehofer nach einem Bericht der "Rheinischen Post" in der kommenden Woche im Bundestag Auskunft über seinen 63-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik erhalten.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schloss unterdessen neue Kontrollen an den Außengrenzen seines Landes aus. "Sollte irgendeiner auf die Idee kommen, alle deutschen EU-Binnengrenzen wieder mit Schlagbäumen, Grenzhäuschen und Zöllnern zu versehen, ist das mit Nordrhein-Westfalen und auch mit mir persönlich nicht zu machen", sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

spiegel


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