Artilleriegefechte in Berg-Karabach

  29 September 2015    Gelesen: 850
Artilleriegefechte in Berg-Karabach
Ein weiterer, jahrelang eingefrorener Konflikt auf dem Territorium der Ex-UdSSR – das von Armenien besetzte Nagorny-Karabach auf aserbaidschanischem Territorium – kommt nach Jahren relativer Ruhe wieder in die Schlagzeilen. Seit vergangenen Sonntag werden erstmals seit langer Zeit Artilleriegefechte an der von der Regierung in Baku nicht anerkannten Grenze gemeldet. Eingesetzt werden Granatwerfer und 122-mm-Haubitzen sowjetischer und russischer Bauart.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium ließ verlauten, bislang seien drei seiner Soldaten und sieben Armenier bei „schweren Zusammenstößen“ ums Leben gekommen. Aus der armenischen Hauptstadt Eriwan hieß es, „zehn oder mehr“ aserische Opfer seien zu beklagen.

Anlass: UN-Vollversammlung

Beobachter vermuten einen Zusammenhang mit der 70. UN-Vollversammlung in New York dieser Tage. Auf beiden Seiten hatte es im Vorfeld geheißen, am Rande der Konferenz seien Gespräche der armenischen und aserbaidschanischen Außenminister geplant. Vor dem Hintergrund der Ukrainekrise wird seit einiger Zeit eine Zuspitzung des Konflikts prognostiziert. Russland, das zwar konkret in Berg-Karabach (so der deutsche Name) kein unmittelbares eigenes Interesse hat, neigt als alte Schutzmacht des christlichen Armeniens dazu, die Position Eriwans zu vertreten. Verschiedene Male in den letzten Jahren, unter anderem anlässlich der Winterolympiade in Sotschi 2014, hatte Moskau versucht, als Gastgeber die wenigen armenisch-aserischen Gespräche vermittelnd zu begleiten.

Für den Westen spielt Aserbaidschan vor allem bei der Suche nach einem alternativen, von Russland unabhängigen Zugang zu den zentralasiatischen Öl- und Gasreserven eine Rolle. Baku unterhält traditionell gute Beziehungen zu Moskau, ist aber auch an den Geschäftschancen als Transit- und Lieferland für Energierohstoffe nach Westeuropa interessiert.

Vorteilhafter Zeitpunkt für Krieg?

Der Konflikt um die Region hat seine Wurzeln im Russischen Kaiserreich vor über 200 Jahren. Damals, nach einer Reihe russisch-türkisch-persischer Kriege und einer massiven Landnahme durch die Russen im Südkaukasus, siedelten armenische und andere Christen aus dem Osmanischen Reich und den persischen Gebieten in das heutige Berg-Karabach, wo damals eine rein aserische, agrarische Bevölkerung wohnte. Während des Zerfalls der Sowjetunion forderte die armenische Mehrheit in Berg-Karabach einen Anschluss der Region an Armenien. 1991 rief sie ihr Land als souveräne Republik aus. Im darauf folgenden Krieg starben mindestens 40.000 Menschen, über eine Million wurde vertrieben. Trotz des 1994 vereinbarten Waffenstillstands kommt es fast täglich zu Feuergefechten.

Nicht zuletzt bedingt durch seine Rohstoffreserven ist Aserbaidschan dem benachbarten Armenien an Wirtschaftskraft deutlich überlegen. Auch die aserischen Militärausgaben sind wesentlich höher als jene im Nachbarland. Beide Länder beziehen ihre Waffen hauptsächlich in Russland. Beobachter vermuten, dass die USA Baku zu einer militärischen Lösung des Konflikts drängen, um Russland zur Parteinahme für Armenien und damit in eine Konfrontation mit Aserbaidschan zu bewegen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre Moskau ein offener Krieg der beiden Länder höchst unwillkommen. Für die USA hätte er den Vorteil, die russischen Ressourcen in einem kritischen Moment zu binden und Moskau daran zu hindern, dem Westen im Nahen Osten die Show zu stehlen.

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