Als Grund dafür gab Kiew an, sich in Sachen Energieversorgung unabhängiger zu machen, doch der wahre Hintergrund ist viel eindeutiger. Allerdings hat der russische AKW-Bauer Rosatom eine ziemlich adäquate Antwort gefunden.
Der Reaktor des dritten Energieblocks des Südukrainischen AKW im Gebiet Nikolajew wurde als erstes im Lande vollständig nur mit US-Kernbrennstoff der Firma Westinghouse beladen, wie Medien berichteten.
Nach der planmäßigen Abschaltung wurde der Block am 16. Juli wieder an das Energiesystem angeschlossen. Zuvor wurde der Reaktor im gemischten Zyklus mit Kernbrennstoff der russischen Firma TWEL versorgt. Jetzt wird der vollständige Übergang des AKW zum amerikanischen Kernbrennstoff erörtert.
Der amerikanische Kernbrennstoffhersteller Westinghouse führt bereits seit 13 Jahren gefährliche Experimente mit Atomenergie in der Ukraine durch. Der Kernbrennstoff des Unternehmens passte technologisch nicht zu den sowjetischen Reaktoren, mit denen die ukrainischen Kernkraftwerke ausgestattet sind. Die Amerikaner waren dazu einfach nicht in der Lage, ihr Kernbrennstoff ist für Energieblöcke des westlichen und nicht des sowjetischen Typs bestimmt. Die Ukraine stellte Westinghouse ein Gelände zur Verfügung, um die unbekannten Technologien zu erforschen und einen neuen Nuklearbrennstoff zu entwickeln.
Warum gerade die Ukraine? Weil andere Länder wie Ungarn bzw. Bulgarien sich einfach aus Sicherheitsgründen weigerten, den amerikanischen Kernbrennstoff zu nutzen. Die Versuche der Amerikaner, sowjetische Reaktoren in der Ukraine mit eigenem Kernbrennstoff zu beladen, führten zu Pannen und Havarien. Doch in vielen Jahren hat die US-Firma doch wohl ein Herangehen an die sowjetischen Reaktoren gefunden.
Das Ziel der Amerikaner ist klar. Westinghouse will den Konkurrenten Rosatom von dessen traditionellen Märkten verdrängen. Nach der Ukraine will das Unternehmen sicher mit eigenem Kernbrennstoff sowjetische und russische Energieblöcke in anderen Ländern versorgen. „Westinghouse wird versuchen, die Märkte Ungarns, Tschechiens, Bulgariens, wo es sowjetische Energieblöcke gibt, zu erschließen. Das sind sehr attraktive Märkte. Der Reaktor des Typs WWER ist an sich ein sehr elegantes Erzeugnis im Vergleich zu westlichen Reaktoren. Es ist sehr angesehen, Kernbrennstoff für solche Reaktoren zu liefern. Warum Westinghouse so lange keinen Kernbrennstoff für WWER-Reaktoren erzeugte? Weil das alles überhaupt nicht einfach ist“, sagte der Energie-Experte Alexej Anpilogow.
Anschließend würden die Amerikaner wohl die Ukraine sehr leicht davon überzeugen, alte sowjetische Reaktoren nicht mit ihren technischen Nachfolgern der Firma Rosatom, sondern mit Reaktoren AP1000 Westinghouse zu ersetzen, die bereits am 30. Juni im chinesischen AKW Sanmen 1 gestartet wurden. Das würde aus kommerzieller und technischer Sicht keine logische, sondern eine politische Entscheidung der Ukraine sein, so der Experte.
Was wird die Ukraine von der Befüllung der sowjetischen AKW mit amerikanischem Kernbrennstoff bekommen? Eigentlich nichts außer Kopfschmerzen.
Die Ukraine bekommt formell einen alternativen Kernbrennstofflieferanten für die eigenen Atomkraftwerke. Doch die Diversifizierung des Lieferanten ist in diesem Fall wirtschaftlich unsinnig. Die Preise änderten sich nicht, weil Westinghouse fast das gleiche System des Selbstkostenpreises wie TWEL hat.
„Der US-Kernbrennstoff wird nicht billiger sein, sogar vielleicht auch teurer. Das US-Unternehmen weigert sich kategorisch gegen die Rücknahme des abgearbeiteten Nuklearbrennstoffs. Eine der Bedingungen von Westinghouse ist, dass die Ukraine anschließend selbst den abgearbeiteten Nuklearbrennstoff verarbeitet“, sagte Anpilogow. Die Ukraine kann das natürlich nicht. Das ist wohl einer der größten Vorteile von Rosatom, weshalb das russische Unternehmen der unangefochtene Branchenprimus ist.
Deswegen musste die Ukraine zu einem weiteren Experiment greifen – mit US-Krediten nahe Tschernobyl ein großes Lager für abgearbeiteten Atombrennstoff bauen. Das Lager wurde von der US-Firma Holtec International gebaut, das war die erste solche Erfahrung für diese Firma. Es wurden auch experimentelle Technologien eingesetzt – weder in den USA noch in anderen Ländern wird abgearbeiteter Kernbrennstoff auf der Erdoberfläche gelagert, wie das nun in der Ukraine sein wird. Es besteht auch der Verdacht, dass in dem für die Ukraine zu großen Lager auch abgearbeiteter Nuklearbrennstoff aus anderen Ländern deponiert wird. Damit wird sich die Ukraine in eine Atommülldeponie verwandeln.
Das sei ein komplexes Herangehen, um die Ukraine zu sehr harten Bedingungen in Abhängigkeit von Westinghouse zu bringen, sagte Anpilogow. „Alle früheren Pannen und Havarien mit dem Kernbrennstoff von Westinghouse waren keine Opfer für ein großes Ziel. Das war einfach eine politische Entscheidung, die von Westinghouse und der US-kontrollierten Ukraine umgesetzt wurde“, sagte er.
Bemerkenswert ist, dass das ukrainische Uran bei der Herstellung der US-Brennstäbe nicht genutzt wird, dafür aber russisches. Westinghouse kauft Uran auf dem US-Markt, wo ein großer Anteil auf Lieferungen der russischen Holding ARMS entfällt.
Selbst im Entwicklungsprogramm für die ukrainische Atomenergie hat sich Kiew nicht zum Ziel gesetzt, den russischen Brennstoff durch amerikanischen zu ersetzen. Dabei geht es darum, zu 40 Prozent des Brennstoffs von Westinghouse und 60 Prozent von Rosatom zu wechseln.
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Ob der US-Brennstoff für die Ukraine sicher ist? „Dieser Brennstoff ist nach vielen Parametern mit den russischen Reaktoren nicht kompatibel. Deswegen annullierten die russischen Firmen, die die aktive Zone überwachen und das Projekt des Reaktors WWER-1000 begleiten, ihre Garantie. Die Ukraine handelt also jetzt auf eigenes Risiko“, so Anpilogow.
„Dieses Schema schließt Projekt-Havarien nicht aus, für die jetzt niemand außer der Ukraine haften wird. Westinghouse weigerte sich kategorisch, die Verantwortung zu übernehmen“, so Anpilogow.
„Die Amerikaner haften nur für Brennstäbe, ihre Kompatibilität im Betriebsbereich, nichts mehr. Wenn etwas in anderen Blöcken schiefgeht, haben sie damit nichts zu tun. Meines Erachtens ist es die dümmste Ingenieur-Lösung, die kommerziell nur begrenzt Sinn hat, und vor allem politisch gefärbt ist“, so der Experte.
Wie reagiert Rosatom darauf? Die russische Firma hat bereits eine Antwort für Westinghouse parat. Rosatom kommt auf den Markt für Kernbrennstoffe nach westlichem Muster – „Quadrate“, was als traditioneller Bereich von Westinghouse gilt. Demnächst startet Rosatom ein Projekt in Schweden. Der historische Vertrag zur Lieferung des russischen Brennstoffs „TWS-Quadrat“ für die Energieblöcke des schwedischen AKW Ringhals ab 2021 wurde im Dezember 2016 unterzeichnet. Dieser Brennstoff wurde speziell für DWR-Reaktoren nach westlicher Bauart entwickelt, auf die sich Westinghouse spezialisiert hat. In der Welt gibt es mehr als 200 DWR-Reaktoren.
Für Schweden (im Unterschied zu den Ukrainern) hat eine solche Diversifizierung einen kommerziellen Sinn – der russische Kernbrennstoff würde die wirtschaftliche Effizienz des AKW-Betriebs erhöhen. „Das alles erfolgt ruhig, ohne politischen Hintergrund. In Schweden ist die Elite adäquater. Sie machen diesen Schritt, weil es darin einen ökonomischen Sinn gibt. Denn dabei geht es nicht nur um den Kernbrennstoffpreis, sondern um den Preis des gesamten Brennstoffzyklus. Die Schweden werden sehr viel dabei sparen, dass Rosatom den abgearbeiteten Kernbrennoff ausführen und verarbeiten wird“, sagte der Experte. Im Unterschied zu den Amerikanern verfügt Rosatom über solche Technologien. Schweden sowie Finnland haben bis heute sehr viel Geld für den Bau von großen unterirdischen Lagern ausgegeben.
„Die Amerikaner dringen in den traditionellen Markt von Rosatom ein, Rosatom dringt ebenso in die westlichen Märkte ein. Wenn dieser Wettbewerb fair ist, und nicht politisch motiviert ist wie mit der Ukraine, dann gibt es daran nichts auszusetzen“, sagte der Experte. Doch dafür müsste Westinghouse in ukrainischen Kernkraftwerken keine Experimente mit den eigenen Technologien durchführen, sondern auch Verantwortung wie Rosatom übernehmen.
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