Bei Protesten gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega sind im mittelamerikanischen Nicaragua seit Mitte April nach Angaben der Wahrheitskommission 265 Menschen ums Leben gekommen. Das sind zwar deutlich mehr als die von der Regierung Anfang der Woche genannten 195 Todesopfer. Menschenrechtsorganisationen melden aber weit höhere Opferzahlen.
Die Proteste gegen den einstigen Revolutionsführer Ortega hatten sich Mitte April an einer Reform der Sozialversicherung entzündet. Obwohl Ortega diese zurückzog, fordern Demonstranten weiter seinen Rücktritt und den seiner Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo.
Murillo versicherte, die Regierung strebe nach "Gerechtigkeit und Wiedergutmachung" für die betroffenen Familien. Die Proteste bezeichnete sie als "Putschversuch und Terroranschlag". "Die Terroristen, Anstifter, Komplizen, Täter und Kriminellen" dürften nicht ungestraft bleiben, sagte sie örtlichen Medien. Die Mehrheit der Todesopfer sind der Wahrheitskommission zufolge Männer (241). 13 Tote seien Minderjährige. Die meisten Getöteten stammten aus der Provinz Managua (114), wo etwa ein Drittel der sechs Millionen Nicaraguaner lebt.
Die Wahrheitskommission des Parlaments zur Untersuchung der Todesfälle wird von Regierungsanhängern dominiert. Nach Angaben des Zentrums für Menschenrechte (Cenidh) kamen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei bislang 302 Menschen ums Leben. Die Menschenrechtsorganisation ANPDH spricht gar von 448 Todesopfern. Außerdem sprechen Menschenrechtsorganisationen von mehr als 2000 Verletzten sowie Hunderten Festgenommenen und Verschwundenen.
Tausende Flüchtlinge in Costa Rica
Derweil treibt die Gewalt in Nicaragua Tausende Menschen in die Flucht. Im südlichen Nachbarland Costa Rica stellen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) jeden Tag mehr als 200 Nicaraguaner Asylanträge, wie ein Sprecher in Genf berichtete. Seit Mitte April hätten dort 8000 Menschen um Asyl gebeten, weitere 15.000 hätten erst Termine für Anträge bekommen, weil die Behörden völlig überlastet seien.
Zudem werden im Land Tausende weitere Nicaraguaner vermutet, die sich bislang nicht gemeldet hätten. Viele würden von dort seit langem lebenden Verwandten unterstützt. Wie viele Menschen insgesamt aus Nicaragua geflohen sind, konnte das UNHCR nicht beziffern.
Quelle: n-tv.de
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