Italiens Regierungspartei in der Krise

  13 Auqust 2018    Gelesen: 1200
Italiens Regierungspartei in der Krise

Die Fünf-Sterne-Bewegung war mit großen Ideen angetreten, Italien umzukrempeln. Nun verschleißt sie sich im Zank und wird vom kleinen, rechten Regierungspartner an die Wand gespielt. Was ist passiert?

 

Es war einmal eine radikal-demokratische Bewegung, die das von einer dumpfen Mischung aus Politik, Bürokratie und Big Business schlecht regierte Italienaufmischen wollte. Gegründet 2009 von Beppe Grillo, einem Kabarettisten, der wegen allzu frecher Kritik an der "Kaste" aus dem Staatsfernsehen verbannt worden war.


So rief er das Volk auf seine Art zur Revolution: In "Leck-mich-am-Arsch"-Versammlungen überall im Land. Bald wurde eine Art Partei daraus, der "MoVimento 5 Stelle", deutsch: Fünf-Sterne-Bewegung. Die Sterne stehen für Umweltschutz, sauberes Wasser, Breitbandausbau, technologischen Fortschritt und nachhaltige Mobilität. Das mag manchem ziemlich unstrukturiert und durcheinander vorkommen, überzeugte aber immer mehr Italiener.

Bei den Wahlen im Mai dieses Jahres wurden die "Grillini", wie Italiens Medien die Grillo-Anhänger tauften, mit knapp 33 Prozent der Stimmen klarer Wahlsieger. "Jetzt sind wir der Staat", jubelte Spitzenkandidat Luigi Di Maio. Vielleicht etwas voreilig.

Weil man zur Regierungsmehrheit gleichwohl einen Partner brauchte, verbündete man sich mit der rechten Lega. Die hatte auch kräftig zugelegt, kam allerdings nur auf 17 Prozent. Damit schien völlig klar, wer Chef und wer Gehilfe in der Koalitionsregierung sein würde. Und der von beiden Seiten fürs Amt des Ministerpräsidenten ausgesuchte partei- und machtlose Giuseppe Conte müsse sich diesem Sachzwang sowieso unterwerfen.

Düsterer Sternenhimmel

Gekommen ist alles ganz anders. Jetzt, nur drei Monate später, verdüstert sich der Sternenhimmel. Von den Wahlversprechen - sofort 400 überflüssige Gesetze abschaffen, 780 Euro Grundeinkommen im Monat für jeden, Mindestrente für alle, 17 Milliarden Euro für Familien mit Kindern - ist nichts auf den Weg gebracht, geschweige denn realisiert worden. Und jetzt ist erst einmal Sommerpause.

Ein Problem: Den meisten Fünf-Sterne-Ministern fehlt Erfahrung in der Führung großer Apparate. Angetreten mit dem frischen Glauben, "Politik kann jeder", stellen sie jetzt betreten fest, dass sie ständig an Grenzen stoßen. Vor allem ihr Vormann Di Maio, nunmehr Arbeitsminister und Vizepremier, ist dünnhäutig geworden. Als zum Beispiel der Industrieverband warnte, sein Entwurf für ein neues Arbeitsgesetz werde Tausende von Jobs kosten, giftete der wütend zurück, das sei "Psychologischer Terrorismus gegen die Veränderung". Darüber lachten viele, auch Anhänger.

Was den Italien-Neugründern offenbar ebenfalls nicht klar war: Ihr Koalitionspartner setzt selbstverständlich eigene, andere Ziele. Denn die rechtsnationale Lega hat ihre meisten Wähler im reichen Norden Italiens. Die interessieren Mindestlohn und Grundrente nicht, die wollen weniger Kriminalität und weniger Steuern - wie von der Lega versprochen.

Die Sterne hingegen haben ihr größtes Wählerpotenzial im armen Süden. Den Menschen dort bringen Steuersenkungen wenig, die wollen Jobs und staatliche Geldzuwendungen - wie von der Fünf-Sterne-Bewegung versprochen.

Die neue Regierung: Chaos und Blockade

Weil das alles nicht zusammenpasst, hängen nun fast alle wichtigen Projekte im Koalitionsstreit fest:

Die Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke (TAV) vom französischen Lyon bis ins italienische Turin ist halb fertig, hat schon Milliarden gekostet, trotzdem will die Fünf-Sterne-Bewegung sie stoppen, wie sie es den Umweltaktivisten immer zugesagt hat. Nur würde das weitere zwei Milliarden Euro an Konventionalstrafen kosten und viele Bauruinen zurücklassen. Lega-Chef Matteo Salvini: "TAV wird gebaut!"
Eine Pipeline soll Gas aus dem Kaspischen Meer nach Europa bringen, planmäßig in Süditalien enden und im ganzen Land "die Energiekosten senken", sagt Salvini. Di Maio und Co. wollen das Projekt aus Umweltgründen abbrechen; Balkanländer und Österreich haben sich schon als Ersatz angeboten.
Das marode und quasi bankrotte Stahlwerk Ilva im süditalienischen Apulien soll der Staat mit viel Geld retten, weil es um 14.000 Arbeitsplätze geht, sagen die Sterne. Nein, sagt die Lega: Ilva ist auf Dauer nicht zu retten.
Statt ins Stahlwerk will die Lega viele Milliarden Euro in den Autobahnausbau im Norden stecken, weil die Wirtschaft und die Menschen dort über Dauerstaus klagen. Nein, sagen die Sterne.
So läuft es überall. Streit über die Mehrwertsteuer, eine Flatrate-Einkommensteuer, die Impfpflicht für Schul- und Hortkinder, die Besetzung wichtiger Posten in Staatsbetrieben, wie der Straßenverwaltung Anas und des staatlichen Radio- und TV-Betreibers Rai.

spiegel


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