Die Spitzen der Großen Koalition haben stundenlang über Streitfragen in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik beraten. Über Ergebnisse des Treffens von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer sowie Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in Berlin wurde bis zum frühen Sonntagmorgen nichts bekannt. Die drei Politiker planen für Sonntag jedoch jeweils getrennte öffentliche Auftritte. Der Finanzminister stellt sich am frühen Nachmittag beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz Fragen der Bürger. Merkel und Seehofer werden zu Sommerinterviews von ARD und ZDF erwartet, die am Abend ausgestrahlt werden sollen.
Die SPD hält der Union die Blockade eines geplanten Rentenpakets vor, die Union weist dies zurück. Die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sehen Verbesserungen der Mütterrente und für Erwerbsminderungsrentner vor, eine Entlastung von Geringverdienern bei Sozialbeiträgen und eine Stabilisierung des Rentenniveaus und der Beitragssätze bis 2025. In der Koalition strittig ist auch eine von der Union verlangte stärkere Entlastung beim Arbeitslosenbeitrag. Heil hält das für vorstellbar, knüpft es aber an Bedingungen. So sollten kleine und mittlere Firmen bei Investitionen in Weiterbildung unterstützt werden. Zudem geht es um Verbesserungen für kurzfristig Beschäftigte beim Arbeitslosengeld.
Seehofer will jetzt Handlungsfähigkeit demonstrieren
Seehofer hatte sich vor dem Treffen am Samstagabend im Kanzleramt zuversichtlich gezeigt, dass die Große Koalition nach dem erbitterten Unionsstreit um Zurückweisungen von Migranten an der Grenze ein Signal der Handlungsfähigkeit setzen kann. Zwar seien die Probleme riesig, gerade was die Zukunft der Rente angehe. Vielleicht werde man nicht alle Probleme sofort lösen, "aber ich glaube, wir werden wesentliche Schritte vorankommen", sagte er. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hatte auf eine schnelle Verständigung mit der Union in der Rentenfrage gedrungen und den Koalitionspartner davor gewarnt, eine längere Lebensarbeitszeit ins Auge zu fassen.
Der deutsche Staat hat dank der guten Wirtschaftslage derzeit so viel Geld in der Kasse wie nie zuvor. In der ersten Jahreshälfte nahmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen unter dem Strich 48,1 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Dies hatte das Statistische Bundesamt am Freitag anhand vorläufiger Daten mitgeteilt.
Steuererhöhung ist kein Thema – oder doch?
SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs brachte zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente bis 2040 zusätzliche Steuern ins Gespräch. "Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt für die Rente wird langfristig steigen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir müssen über zusätzliche Einnahmequellen sprechen, zum Beispiel über die Finanztransaktionssteuer oder eine zusätzliche Steuer für große Vermögen." Die Verschiebung des Soli-Abbaus oder eine höhere Mehrwertsteuer seien aber kein Thema.
Das Bundesfinanzministerium hatte am Freitag einen Bericht zu Überlegungen über mögliche Steuererhöhungen zur Stabilisierung des Rentenniveaus zurückgewiesen. "Es gibt keine Berechnungen zu den Überlegungen des Ministers und auch keine Pläne, den Abbau des Solidaritätszuschlags zu kippen", sagte ein Scholz-Sprecher. Der "Spiegel" hatte unter Berufung auf Ministeriumskreise berichtet, Scholz sei dazu bereit, für die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2040 die Beiträge zur Alterssicherung und die Steuern "kräftig" zu erhöhen. Ein höheres Renteneintrittsalter lehne er dagegen ab.
Offen war zuletzt, ob die Senkung des Arbeitslosenbeitrags mit dem von Heil geplanten Rentenpaket verbunden werden sollte. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2019 um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent des Bruttolohns zu senken. Die Beitragszahler sollen so um 3,5 Milliarden Euro entlastet werden. Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte zuletzt betont, es gebe Spielraum für eine Senkung um 0,6 Punkte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte eine Senkung "um mindestens 0,5 Prozent".
Hintergrund ist, dass der Beitrag zur Pflegeversicherung ebenfalls zum 1. Januar 2019 steigt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine Anhebung um 0,3 Punkte angekündigt, hält aber auch eine Größenordnung von 0,5 Punkten für realistisch. Derzeit liegt der Satz bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 2,8 Prozent.
Quelle: n-tv.de
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