Die Zeit der „Volksparteien“ ist vorbei: Bittere Blamage für CSU und SPD

  15 Oktober 2018    Gelesen: 1026
Die Zeit der „Volksparteien“ ist vorbei: Bittere Blamage für CSU und SPD

Der bayrische Wähler hat entschieden: Die CSU wird künftig nicht mehr allein regieren, Ministerpräsident Söder muss sich zähneknirschend einen Koalitionspartner suchen. Besonders hart kam es für die SPD, sie halbierte ihr Ergebnis im Freistaat. Im politischen Berlin fließen Schweiß und Tränen.

Es war der Paukenschlag, der sich teilweise bereits in den Umfragen angedeutet hatte: Der bayrische Wähler hat die regierende CSU und auch die Sozialdemokraten im Freistaat massiv abgestraft. Anstatt nun endlich die Reißleine zu ziehen und personell, oder gar inhaltlich umzuschwenken, gibt es von den verantwortlichen Spitzenpolitikern nur hilflose Floskeln.

Die Hilflosigkeit der „Volksparteien“

Ministerpräsident Markus Söder erklärte noch am Wahlabend in München, dass er und seine CSU in den kommenden Tagen intern über den Stimmverlust sprechen wollen. Er lobte aber, dass seine Partei mit rund 35 Prozent erneut stärkste Kraft in Bayern sei:

„Wir nehmen das Ergebnis mit Demut an und werden es genau analysieren. Wichtig ist, wir müssen Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass dieses Land stabil bleibt und wir eine stabile Regierung für Bayern bilden.“

Konkrete nächste Schritte kündigte er nicht an. Auch äußerte es sich nicht zum weiteren Verbleib von Bundesinnenminister Horst Seehofer als Parteichef.

Seehofer selbst gab sich in München zerknirscht. Er versicherte, Konsequenzen werde man erst in den kommenden Tagen ziehen:

„Deshalb kommt es für mich in den kommenden Tagen darauf an, den Auftrag der Wähler anzunehmen und auf die Bildung einer stabilen Regierung zu konzentrieren.“

Den Wahlkampf von Ministerpräsident Söder nennt er „famos“. Seehofer kündigte bereits vor der Wahl an, dass er sich zum Wahlausgang am kommenden Dienstag in Berlin offiziell äußern wolle. In der Hauptstadtpresse werden bereits Stimmen laut, die dann auch einen Rücktritt Seehofers nicht ausschließen wollen.

Auch die SPD hat keinen Grund zum Feiern, so blieb eine Wahlparty im Berliner Willy-Brandt-Haus aus. Lediglich für Pressestatements war die Parteispitze kurzzeitig vor Ort. SPD-Chefin Andrea Nahles räumte dort Fehler ein:

„Wir hätten uns frei machen müssen von dem Richtungsstreit zwischen CDU und CSU. Wir haben Grund zum Nachdenken. Wir analysieren das jetzt zusammen in unseren Gremien. Wir werden jetzt alle Power in die kommende Landtagswahl in Hessen stecken.“

Die SPD hat mit rund 10 Prozent ihr Wahlergebnis in Bayern mehr als halbiert. Für die Sozialdemokraten auch deutschlandweit eine Katastrophe.

Während sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sicher ist, seine Partei müsse nun einen neuen politischen Stil an den Tag legen, werden zahlreiche Parteimitglieder deutlicher. So erklärte Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jusos, auf Twitter:

„Fast die gesamte Nachwahlkommentierung der Parteien ist sinnbildlich dafür, wie sehr unsere politischen Rituale aus der Zeit gefallen sind. Ablenkungen, Binsen, Nabelschau, Botschaften nach innen. Heute besonders schlimm.“

Und die stellvertretende SPD-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Hilde Mattheis, ist sich sicher, es brauche keine Änderung des politischen Stils, sondern der politischen Inhalte.

Die Grünen fühlen sich dagegen wie im Rausch: Mit rund 18 Prozent war bei der „Ökopartei“ am Wahlabend kein Halten mehr. Die Partei konnte nicht nur in den bayrischen Städten, sondern auch vermehrt im ländlichen Bereich neue Wähler generieren. Die Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, gab sich am frühen Abend euphorisch:

„Bayern braucht eine Politik, die Mut gibt, anstatt ständig Angst zu machen. Wir hatten gesagt, am 14. Oktober ist die absoluten Mehrheit der CSU Geschichte und auch das haben wir geschafft!“

Sie hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass sie eine Regierungskoalition im Freistaat mit der CSU nicht grundsätzlich ausschließen wolle.

Doch eine grüne Regierungsbeteiligung könnte ein Wunschdenken bleiben. Denn die Freien Wähler stehen der CSU inhaltlich näher und auch sie konnten ein gutes Ergebnis einfahren. Mit über 11 Prozent dürften sie ein entscheidendes Wort bei der Regierungsbildung in Bayern mitsprechen. Der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Hubert Aiwanger ist siegessicher:

Ich bitte die CSU, sich jetzt langsam mal zu entscheiden. Wir müssen die CSU nicht anrufen. Wir warten auf den Anruf.“

Die eher konservativ-liberalen Freien Wähler arbeiten auf kommunaler Ebene schon lange mit der CSU zusammen. Auch inhaltlich gibt es große Schnittmengen. Da beide zusammen aber nur eine dünne Regierungsmehrheit im bayrischen Landtag hätten, gilt eine schwarz-orange Koalition noch nicht als abgemacht.

Die AfD wird erstmals in das bayrische Landesparlament einziehen, rund 11 Prozent konnten sie erlangen. Direkt nach der ersten Hochrechnung trat Parteichef Alexander Gauland in Berlin vor die Kameras. Auch wenn die AfD nach den Aussagen der CSU sicher keine Rolle bei der künftigen Regierungsbildung in Bayern spielen wird, ist Gauland optimistisch:

„Unsere Wähler sind die Menschen, sie sagen, wir wollen keine Massenzuwanderung und die CSU tut zu wenig. Mittel- bis langfristig wird eine Regierungsbeteiligung möglich sein.“

Ähnlich äußerte sich auch die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel. Wer in Bayern heute die AfD gewählt habe, der sage auch, Merkel muss weg. Weidel rief die Parteien der Berliner GroKo auf, den Weg für Neuwahlen frei zu machen.

Die FDP hat aller Voraussicht nach ganz knapp den Sprung über die 5-Prozent-Hürde geschafft. Damit schafft sie nach ihrem Ausscheiden 2013 nun wieder den Einzug. Traditionell habe es die FDP im Freistaat immer sehr schwer gehabt, so Parteichef Christian Lindner am Wahlabend:

„Bayern war für uns immer ein schwieriges Pflaster. Doch jetzt haben wir den Optimismus, dass wir am Ende des Abends die 10. FDP-Landtagsfraktion in Deutschland haben werden.“

Das Ziel sei ein Comeback gewesen, was nun erreicht sei. Liberale hätten starke Nerven, so Lindner. Das habe man auch heute wieder bewiesen.

Die Wahlparty der Linken im Berliner Karl-Liebknecht-Haus war dagegen schnell zu Ende. Die Partei konnte in Bayern nicht überzeugen und lag um 18 Uhr in der Prognose bei nur 3,5 Prozent. In den späteren Hochrechnungen wurde sie fortan unter „Sonstige“ geführt. Parteichef Bernd Riexinger sagte gegenüber Sputnik, er wolle nun nach vorne schauen:

„Es war ein toll organisierter Wahlkampf der Linken in Bayern. Das wird helfen, 2020 einen erfolgreichen Kommunalwahlkampf in Bayern zu führen. Wir zeigen das offene, widerständische Bayern. CSU und SPD haben sich ihre massiven Verluste selbst zuzuschreiben.“

Die Linke war bisher noch nie im bayrischen Landtag vertreten. Dennoch konnte sie ihr bisheriges Ergebnis im Freistaat leicht verbessern.

sputniknews


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