Warum Markus Söder am Ende doch der Gewinner ist

  16 Oktober 2018    Gelesen: 700
Warum Markus Söder am Ende doch der Gewinner ist

Die Bayernwahl hat die Republik erschüttert. Die SPD ist existenziell getroffen, die Berliner Regierung wird instabiler. Die CSU scheint trotz Debakels dagegen mit einem blauen Auge davon gekommen. Markus Söder wird sogar von der Lage profitieren.

Die SPD ist nach der Bayernwahl in Schockstarre gefallen. Die Partei wirkt nach den 9,7 Prozent tief erschüttert, beinahe traumatisiert. Sie weiß, dass sie im freien Fall umher taumelt und als Volkspartei aus weiten Teilen Deutschlands zu verschwinden droht. Man hofft jetzt auf ein Wunder bei der Hessenwahl in zwei Wochen. Doch in Wahrheit lösen die Grünen die SPD wie im politischen Zeitraffer ab. Die Große Koalition wird für die SPD zusehends zum Grab. Entsprechend braut sich eine gefährliche Stimmung aus Verzweiflung und Wut über der SPD zusammen.

Überraschend anders die Laune in der CSU. Auch die Christsozialen haben eine derbe Wahlniederlage zu verkraften. Doch die Stimmungslage ist aufgekratzt und im Kern erleichtert. In München hatte man - nach den Umfragen der letzten Wochen - Schlimmeres erwartet. "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen", heißt es aus dem Vorstand der Partei einhellig. Bis kurz vor der Wahl dachte die politische Republik - inklusive der Christsozialen - selbst, dass die CSU ihr historisches Waterloo erleben und möglicherweise gar in die Opposition gezwungen werde.

Man fürchtete weitere Selbstzerfleischungen der Söder-Seehofer-Machtkämpfer, doch nun haben beide einen Nichtangriffspakt geschlossen. Mancher CSU-Spitzenpolitiker findet darum sein Lächeln erstaunlich schnell wieder, zumal eine Regierung mit den Freien Wählern als "Heimspiel", "völlig unproblematisch" und "Selbstläufer" angesehen wird. Die Freien Wähler seien wie "christsoziale Vettern vom Lande", wie "die CSU nur ohne Söder und Seehofer", witzelt man in der Partei. Man bleibe jedenfalls die alles entscheidende Gestaltungsmacht Bayerns.

Spielt die Zeit für Söder?


Vor allem für Markus Söder könnte aus der deftigen Niederlage langfristig als Gewinner hervor gehen. Das hat fünf Gründe:

Erstens sind die 37,2 Prozent für CSU-Verhältnisse zwar miserabel, aber - anders als bei der SPD - nicht vernichtend. Umfragen hatten der CSU 33 Prozent (Infratest und Insa) oder "unter 33 Prozent" (Civey) vorhergesagt, so dass sich das Ergebnis für Christsoziale wie eine positive Überraschung angefühlt hat. Tatsächlich konnte die Partei auf der Zielgeraden viele Wähler doch noch einmal mobilisieren, denn die Wahlbeteiligung war am Ende insgesamt hoch.

Zudem liegt man mit den 37,2 nicht so weit von 38,8 Prozent entfernt, die die CSU vor Jahresfrist bei der Bundestagswahl erzielt hatte. In der Börsensprache würde man nach einer schlechten Aktienkursentwicklung von "Bodenbildung" sprechen. Söder hat damit für seine Karriere als Ministerpräsident eine bequem niedrige Ausgangsbasis. Er wird steigende Umfragezahlen und bessere Wahlergebnisse in der Zukunft als sein Werk verkaufen können.

Zweitens hat Söder Glück, dass er die Schuld des schlechten Ergebnisses auf Horst Seehofer abwälzen kann. Natürlich haben beide in den vergangenen Monaten Fehler gemacht, aber die Stimmungslage in der Partei neigt spürbar dazu, Seehofer die Hauptverantwortung zuzuschieben. Söder wird von vielen Christsozialen instinktiv wie ein Sohn der Sippschaft in Schutz genommen, der unter den Eskapaden des Großvaters zu leiden hat - auch wenn dies nur zum Teil wirklich stimmt.

Drittens wird Söder seinen Konkurrenten Seehofer über kurz oder lang los und also seine eigene Machtbasis vergrößern können. Seehofer hat massiv an Gefolgschaft verloren und wird sich nicht mehr lange als CSU-Vorsitzender halten können - und dann auch als Bundesinnenminister stark geschwächt sein. Wahrscheinlich hört Seehofer noch in dieser Legislatur ganz auf, und Söder wäre von der größten Rivalität befreit.

Trotz des schlechten Wahlergebnisses hat er sogar gute Chancen, im kommenden Jahr selbst den Parteivorsitz zu erobern. Söder hätte nach Seehofers Abtritt zwar drei ebenbürtige Konkurrenten zu fürchten - aber nur auf den ersten Blick. Ilse Aigner wäre die Kandidatin der Herzen, doch sie wird nun Landtags-Präsidentin, womit sie in Bayern so etwas wie zur gefühlten Präsidentin und Bavaria der Bayern aufsteigen wird. Aigner verfügt über eine hohe Integrität und Beliebtheit, aber machtpolitisch wird sie Söder so nicht mehr gefährlich.

Der zweite Kandidat ist Manfred Weber, ebenso intelligenter wie respektierter Europapolitiker und auf dem Weg zum Kommissionspräsidentenamt der EU. Sollte ihm dieser Coup - und die Chancen stehen derzeit gut - gelingen, als erster Bayer die Europäische Union zu führen, wäre auch er aus dem machtpolitischen Spiel der CSU enthoben, über den parteilichen Dingen schwebend und für Söder keine Konkurrenz mehr. Bleibt also nurmehr Alexander Dobrindt. Nur ihn müsste Söder beim Griff nach dem Parteivorsitz besiegen - oder sich mit ihm im Ernstfall arrangieren und die Macht teilen. So oder so verbessert sich Söders Position zum jetzigen Stand.

Viertens wird Söder in die Rolle des Ministerpräsidenten hinein wachsen und die politische Bühne des Amtes für sich nutzen. Er kann nun auf Jahre hinaus Bayern nach außen verkörpern und damit ein vor Kraft und Selbstbewusstsein strotzendes Land. Söder ist jung genug, um seine Regentschaft langfristig anzulegen. An ihm wird machtpolitisch in Bayern kein Weg vorbei führen.

Fünftens startet Söder seine Ministerpräsidentenkarriere just in dem Moment, da in Berlin Angela Merkel auf ihr Finale zusteuert. Die Gestaltungsmacht der Bundeskanzlerin schwindet von Monat zu Monat, und die Union wird neue, starke Führungsfiguren suchen und sich an ihnen orientieren. Die bevorstehende Phase des Umbruchs wird Söders Rolle in der Bundespolitik tendenziell stärken. Da das politische Spiel der Macht immer auch eine Frage der Relativitäten ist, steigt mit der Regierungsschwäche Berlins automatisch die Bedeutung des bayerischen Ministerpräsidenten im Machtgefüge der Republik. Und so könnte es sein, dass ausgerechnet ein neuer, zerzauster Ministerpräsident mit einem miserablen Wahlergebnis am Ende als Langfrist-Sieger aus dem politischen Tumult hervor gehen kann.

Quelle: n-tv.de


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